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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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seit der Eröffnung des Restaurants wöchentlich las, und entschied sich für ein Reuben Sandwich, klassisch belegt mit Corned Beef, Emmentaler und Sauerkraut. An diesem Abend benötigte sie Futter für die Seele, deshalb nahm sie statt der üblichen Salatbeilage Pommes und statt der Standard-Cola-light einen »Shorty’s famous« schwarzweißen Milchshake, eine dekadente Zusammenstellung aus heißem Fondant, Schokosirup, Vanilleeis und Keksbröseln. Wie die Kellnerin Lillian zu sagen pflegte: »Auf den Schwarzweißen passt nur eine Beschreibung: eine tödliche Sünde.« Was angesichts der Mengen von Zucker, Fett und jeder erdenklichen anderen essbaren Sünde, die darin zusammengemixt waren, wahrscheinlich der Wahrheit entsprach. An diesem Abend war es Regan egal.
    Lillian kam ohne Notizblock an den Tisch. Sie war in den Siebzigern, noch genauso fix wie vor fünfzig Jahren, schrieb nie eine Bestellung auf und irrte sich nie.
    »Ihr zwei seid spät dran«, bemerkte sie.
    Regan verzog das Gesicht. »War ein langer Tag.«
    »Ja. Ständig wurde im Fernsehen darüber berichtet, und wir hatten ein paar Nachrichtenleute von außerhalb hier. Großer Lieferwagen mit Satellitenschüssel, stand drüben beim Bull and Bear an der Hauptstraße.«
    »Ich weiß, wo das ist«, sagte Pescoli. Sie kannte Rod Larimer, den Wirt von der Frühstückspension Bull and Bear. Rod sah aus, als schmecke ihm sein Frühstück einfach zu gut, er war versessen auf alle Werbung, die er kriegen konnte, und befürwortete rege Bautätigkeit in Grizzly Falls.
    »Was für ein Tag!«, sagte Lillian, dann fragte sie lauernd: »Seid ihr seiner Verhaftung denn schon einen Schritt näher gekommen?«
    »Wir sind ganz nah dran«, antwortete Pescoli hochfahrend, und Alvarez hätte beinahe gelächelt.
    »Drei Frauen an einem Tag! Das jagt mir eine Heidenangst ein, das könnt ihr mir glauben. Und nicht nur mir. Ich höre die Gäste reden, und alle sind ziemlich entsetzt. Wir zählen auf euch, dass ihr den Killer umlegt oder einsperrt und ihn ein für alle Male unschädlich macht.« Lillian nahm kein Blatt vor den Mund.
    »Ich dachte, Kastration sei seit ein paar Jahren verboten«, bemerkte Alvarez trocken.
    »Ein großer Fehler, wenn ihr mich fragt. Das ist ja das Problem, nicht wahr? Keiner fragt mich. Also, was darf ich euch bringen?«
    Alvarez bestellte eine Linsensuppe, einen Salat mit Edelpilzkäse-Dressing und einen Eistee mit doppelt Zitrone.
    Machte sie Witze? Nach einem Tag wie diesem? Pescoli verstand es nicht, doch Alvarez schien jedem Druck standzuhalten. Sie rauchte nicht, trank keinen Alkohol, hielt sich weitgehend von Männern fern und folgte beinahe zwanghaft ihrem Diät- und Trainingsplan.
    Nun, Pescoli schämte sich nicht. Sie bestellte üppig, und Lillian entfernte sich grinsend.
    »Schlimm genug, dass MacGregor nicht der Täter ist«, sagte Alvarez, als die Getränke serviert worden waren und Lillian hinter der Schwingtür in die Küche verschwand. Bis auf einen einzelnen Mann, der drüben in der gegenüberliegenden Ecke die Zeitung las, und ein paar hibbelige Teenies, die Limo tranken, Pommes aßen und sich gegenseitig mit den Strohhalmhüllen beschossen, waren sie allein im Restaurant. Zum Glück liefen ausnahmsweise mal keine Weihnachtslieder als Hintergrundmusik. Stattdessen mischte sich die Melodie von »Hotel California« mit dem Fauchen der Heizung und Geschirrklappern aus der Küche.
    Alvarez rührte mit einem langstieligen Löffel ihren Tee um und sah zu, wie die Zitronenspalten um die Eiswürfel in ihrem Getränk herumtanzten. »Ich spreche es höchst ungern aus, aber ich fürchte, wir haben es mit einem Trittbrettfahrer zu tun.«
    Pescoli war zwar selbst schon zu diesem ärgerlichen Schluss gekommen, hatte aber versucht, es sich auszureden. Sie wollte es nicht glauben. »Ich höre. Wieso?«
    »Zunächst einmal gab es keine Botschaft an dem Tatort, wo Jillian Rivers gefunden wurde. Ich dachte erst, MacGregor könnte sich den Mord an ihr noch mal anders überlegt und den Zettel irgendwie vernichtet haben, als er zurückkam, um sie zu holen, aber das ergibt einfach keinen Sinn.« Alvarez kostete ihr Getränk mit Hilfe eines Plastikstrohhalms. »Auch der in den Baum geritzte Stern sah anders aus. Hatte sechs Zacken statt fünf.«
    Pescoli beschloss, den Advocatus Diaboli zu spielen. Sie fischte die Kirsche aus ihrem Milchshake. »Vielleicht wurde er gestört und hatte keine Zeit mehr, die Botschaft anzubringen.«
    »Auch das ist noch

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