Der Skorpion
du etwa behaupten, du wärst nicht hinter dem Kerl her? Du hättest nicht die Absicht, diesen Typen aufzuspüren, der dich ins Messer hat laufen lassen?«
MacGregor furchte die Stirn. »Ich will dich nicht anlügen, Jillian. Der Schweinehund wird bezahlen. Aber so lange, bis er geschnappt ist, musst du in Sicherheit bleiben.«
Jillian verzog das Gesicht, als sie die Beine über die Bettkante schwang. Unter dem kurzen, wenig attraktiven Kliniknachthemd war ihr verbundener Knöchel zu sehen. Sie erwog, ihm die Wahrheit über Aaron zu erzählen, wie der Blutsauger seinen Klienten Geld gestohlen hatte, Menschen, die ihm vertrauten, und es ihr überließ, sich mit den Opfern seiner Betrügereien herumzuschlagen. Ob er nun tatsächlich in Surinam ums Leben gekommen war oder seinen Tod nur vorgetäuscht hatte, auf jeden Fall hatte er sie damals gewaltig zu Fall gebracht. In der Auseinandersetzung mit der Polizei, der Presse und den Opfern eines Schneeballsystems, von dem sie nichts gewusst hatte, hatte er es ihr allein überlassen, die Konsequenzen zu tragen und ihr in Scherben gegangenes Leben neu zu sortieren. Sie hatte Jahre gebraucht, um ihren Ruf zu bereinigen, und sie konnte nicht leugnen, dass ihre zweite Heirat und der Namenswechsel sie gereizt hatten, was Mason ihr oft genug vorgeworfen hatte. Falls Aaron Caruso es wagte, noch am Leben zu sein, dann wollte sie ihn ganz sicher wiedersehen.
Auge in Auge.
Aber natürlich vertraute sie sich Zane MacGregor nicht an, zumindest jetzt noch nicht. Es war nicht so einfach einzugestehen, dass sie sich zur Närrin ersten Grades hatte machen lassen – ein verliebtes Dummchen.
MacGregor sagte noch mal eindringlich: »Du kannst nicht fortgehen, Jillian. Es ist zu gefährlich.«
»Das glaube ich nicht«, sagte sie und lächelte gezwungen. »Außerdem habe ich ja dich zu meinem Schutz.«
»Du hast den Verstand verloren.« Doch er grinste, und es war ein umwerfendes Lächeln, eines, das ihr Herz zum Schmelzen brachte.
»Noch nicht. Aber ich werde vollends verrückt, wenn ich noch eine Sekunde länger hier bleibe. Also widersprich mir nicht, MacGregor, okay? Es hätte keinen Sinn.«
Auf dem Weg ins Büro hielt Pescoli vor einem Safeway an, um sich einen Kaffee zu holen, und im Laden griff sie nach einer Lokalzeitung und entnahm einem Drehgestell ein paar bunte Geschenktüten und Geschenkgutscheine für Läden, Restaurants und sogar Fluggesellschaften: einen für Biancas Lieblingskaufhaus und einen für einen Elektronik-Supermarkt für Jeremy. Ein paar Gutscheine für Fast-Food-Restaurants und einen Tankstellengutschein für Jeremy legte sie noch obendrauf. In Einkaufslaune erstand sie folienverpackte Süßigkeiten in Weihnachtstüten und ein paar Romane in der Buchabteilung. Binnen zwanzig Minuten war ein Großteil ihrer Weihnachtseinkäufe abgehakt. Nicht allzu einfallsreich, aber die Kids würden schon zufrieden sein. Und es war das Beste, was sie leisten konnte.
Sie warf einen Blick auf die Zigaretten, erwog, ein Päckchen zu kaufen und weiterhin zu rauchen, bis der Fall des Sternmörders gelöst war, sagte sich dann jedoch, dass sie bis dahin neunzig sein und längst auf der Lungenkrebsstation liegen könnte.
Sie konnte ihre Halbwüchsigen auch ohne Nikotin groß kriegen. Das versuchte sie sich zumindest einzureden. An der Kasse wollte Regan mit Kreditkarte bezahlen, doch das Gerät akzeptierte ihre Karte nicht. »Was …?«, knurrte sie und versuchte es erneut, doch die Karte wurde abgelehnt.
Inzwischen standen zwei weitere Kunden hinter ihr in der Schlange für »unter fünfzehn Produkten«. Auch ein dritter Versuch war erfolglos. Die Kassiererin, ein ungefähr neunzehnjähriges Mädchen mit violett gesträhntem Haar, in dem mit einer Nadel ein Weihnachtsmann befestigt war, fragte: »Möchten Sie Ihr Kreditinstitut anrufen?«
»Nein … Moment.« Pescoli kramte gereizt und peinlich berührt in ihrer Brieftasche, während der Kerl hinter ihr, unrasiert und mit starker Brille, sich kaum Mühe gab, seinen Unmut zu verbergen. Sie fand ihre Kundenkarte und zog sie durch. Damit war ein Großteil des für den Rest des Monats vorgesehenen Geldes verloren.
Eine Minute später war die Transaktion abgeschlossen und sie um mehr als zweihundert Dollar ärmer, aber immerhin war sie nun im Besitz von ein paar lumpigen Geschenken. »Weihnachten wird in diesem Jahr ein eher spirituelles Fest«, knurrte sie leise, stieg in ihren Jeep, warf den Motor an und fuhr vom
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