Der Skorpion
staubig, hatte Streifen von den Scheibenwischern und einen Riss am unteren Rand.
»Wohin fahren wir?«, fragte sie.
»Ich dachte an Spruce Creek.« Er fuhr aus der Stadt heraus. Die niedrigen Gebäude von Mini-Märkten flogen vorbei. »Dort hast du dir Kaffee geholt, nicht wahr? In einem Lokal namens Chocolate Moose Café?«
Sie nickte. »Ich kann mich kaum noch daran erinnern, aber ich glaube, ja. Woher weißt du das?«
»Weil die Detectives mich gefragt haben, ob ich dort war und das Café kenne. Ob ich dort Kaffee getrunken habe, Stammkunde war. Warum, das haben sie mir nicht erklärt, aber es musste mit dir zusammenhängen, und da der Ort an der Strecke von Seattle nach September Creek liegt, wo dein Auto gefunden wurde, dachte ich mir, dass du dort gewesen sein musst.«
»Und du meinst, der Mörder war womöglich auch dort?«, fragte sie, während er einen langsam fahrenden Schwertransporter überholte, der Autowracks transportierte.
»Es bietet sich doch an, dort anzufangen, meinst du nicht?«
Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich bin kein Detective und kein Ermittler, aber ich sehe auch keinen Grund, untätig hier herumzusitzen.«
»Ganz meine Meinung.«
»Okay«, sagte sie. Er beschleunigte, und die Stadtstraße ging in eine kurvenreiche, von verschneiten Bäumen gesäumte Bergstraße über. Sie hatte nie ein Abenteuer gescheut, hatte sich immer gern jeder Prüfung gestellt, doch ohne einen vernünftigen Plan zu einem unbekannten Ziel aufzubrechen, mit einem Mann, den sie mal fürchtete, mal aufregend fand, erschien ihr ein bisschen verrückt. Nein, ziemlich verrückt.
Leider war sie auf dem besten Wege, sich in diesen Mann zu verlieben. Und das war, wie sie wohl wusste, ein Problem.
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26. Kapitel
N un, was gibt’s, Detective?«
Cort Brewster saß an seinem Schreibtisch, vor sich einen Stapel Papiere, in der Hand einen Kuli. Er sah auf, als Pescoli eintrat, und seine Miene versteinerte sich.
»Ich finde, wir sollten über gestern Abend reden. Über die Kinder.«
Er lehnte sich auf seinem Schreibtischstuhl zurück, so weit, dass er knarrte. Mit unvermindert finsterem Gesicht sagte er: »Bevor Sie alle möglichen Gründe, Erklärungen, Entschuldigungen oder was auch immer vom Stapel lassen, wollen wir eins klarstellen. Sie und ich, wir müssen zusammenarbeiten. Ganz gleich, was zwischen Ihrem Sohn und meiner Tochter passiert.«
Sie war schon ein wenig erleichtert, bis er anfing, seinen Kuli klicken zu lassen.
»Aber auch das entschuldigt nicht, was letzte Nacht geschehen ist, und Sie sollen auch wissen, dass ich Ihren Sohn für das alles verantwortlich mache.«
Na also.
»Er ist der Ältere, sollte es besser wissen und hat kein Recht, mein Mädchen auf so eine alkoholisierte Spritztour mitzunehmen.« Brewsters Ruhe verließ ihn jetzt vollständig, Röte stieg ihm ins Gesicht. »Sie ist erst fünfzehn, verflixt noch mal, und was mich betrifft, bringt Ihr Junge es zu nichts, gerät nur in Schwierigkeiten und auf die schiefe Bahn.«
»Sie geben Jeremy die alleinige Schuld«, sagte sie kalt.
»Ja, ich gebe ihm die Schuld. Die Kids hätten ums Leben kommen oder bleibende Schäden davontragen können. Sie und ich, wir sehen doch jeden Tag, was passiert, wenn Alkohol, Kids und Autos zusammenkommen. Sogar Erwachsene! Sie haben Glück, dass gestern Nacht nicht mehr passiert ist, Pescoli.« Ruckartig erhob er sich und stand groß und wütend hinter dem Schreibtisch, einer knapp einen halben Meter breiten Barriere zwischen ihm und ihr. »Sie sagen Ihrem Bengel, dass ich das nicht dulde. Kapiert? Wenn meiner Kleinen etwas passiert, ziehe ich Ihren Sohn persönlich zur Verantwortung. Ich habe es ihr gesagt und sage es jetzt auch Ihnen, ich will, dass er sich von ihr fernhält.«
Pescoli sagte zunächst gar nichts. Natürlich hatte sie gewusst, dass Brewster sauer sein würde, auch, dass er Jeremy die Schuld geben würde, aber der Hass in seinem Blick ließ vermuten, dass er emotional zu aufgewühlt war, um vernünftig mit ihm reden zu können. Schließlich sagte sie: »Meinen Sie nicht, wir sollten das alles mit den Kindern zusammen besprechen?«
»Sind Sie verrückt? Nein. Ich habe ein Machtwort gesprochen und erwarte, dass Sie das ebenfalls tun.« Er presste die Lippen zusammen und beugte sich über den Schreibtisch hinweg zu ihr hin. »Sie und ich, wir sind verschieden. Wir erziehen unsere Kinder unterschiedlich. Ich bin Diakon in der Kirchengemeinde und seit
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