Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Pescoli schüttelte den Kopf und ging zurück an ihren Schreibtisch.
    »Sie meint es gut«, bemerkte Alvarez.
    »Hast du dich mal gefragt, warum man das sagt? Sie
meint
es gut? Es impliziert, dass die betreffende Person unhöflich, ich-bezogen oder schlicht und ergreifend ahnungslos ist, was vor sich geht, und ich bin nicht einmal sicher, ob unsere Joelle es gut meint. Ich glaube, es ist nur Theater, und tief im Inneren ist sie eine ganz gemeine Zicke.«
    Alvarez zog die Brauen hoch. »Du bist wohl mit dem falschen Fuß … Ach ja, entschuldige.« Natürlich war Pescoli gereizt. Sie hatte eine schreckliche Nacht wegen ihres Jungen hinter sich.
    »Ich schätze, ich habe jetzt einen schicksalsschweren Termin«, sagte Pescoli, und Alvarez sah zu, wie ihre Partnerin ihr Plätzchen aufaß, sichtlich die Schultern straffte und entschlossen Cort Brewsters Büro zustrebte.
     
    Der Sturm hatte ein wenig nachgelassen. MacGregor saß am Steuer eines von einem Freund ausgeliehenen Pick-ups, Jillian auf dem Beifahrersitz. Die Straßen waren geräumt, der Pick-up kam dank des spärlichen Verkehrs gut voran.
    Ausnahmsweise drangen Sonnenstrahlen durch die verbleibenden Wolken, und Jillian fühlte sich so gut wie seit Tagen nicht mehr. Es war weit über eine Woche vergangen, seit sie in MacGregors Hütte aufgewacht war, und seitdem war sie ständig außer Gefecht gesetzt gewesen und hatte der Pflege bedurft.
    Heute jedoch, dachte sie, während die breiten Reifen des Pick-ups übers nasse Pflaster surrten, heute hatte sie das Gefühl, ihr Schicksal endlich wieder selbst bestimmen zu können.
    Nun ja … gewissermaßen. Sie plagte sich immer noch mit Rippenprellungen und einem verstauchten Knöchel herum, und die Schmerztabletten, die sie nahm, linderten nicht nur die Schmerzen, sondern wirkten auch leicht betäubend.
    Aber das war ihr gleich. Endlich war sie frei.
    Bei voll aufgedrehter Heizung und einem Country-Western-Sender im Radio, der Weihnachtsklassiker aus der Versenkung holte, war MacGregor direkt vom Klinikeingang aus, wo ein paar Reporter ihm eine Stellungnahme entlocken wollten, zur Tierklinik ein paar Meilen entfernt gefahren. Er parkte in einer Gasse neben einem zerbeulten Müllcontainer, der mehr als nur eine Konfrontation mit einem Auto überlebt hatte.
    Zum Glück waren sie kein so großer Fisch für die Presse, dass sie sie hätten jagen müssen. Mit MacGregors Hilfe und ihrer Krücke humpelte sie den schneebedeckten Pflasterweg entlang einer Reihe starrer Lebensbäume bis zur Hintertür, wo MacGregor kräftig anklopfte. »Sie tut mir damit einen Gefallen«, erklärte er. »Die Tierklinik ist offiziell geschlossen.«
    »Einen Gefallen?«
    »Mhm.« Die Tür wurde geöffnet, und eine zierliche Frau, die wohl kaum mehr als fünfzig Kilo wog, bat sie ins Haus, wo ein schwacher Geruch nach Tieren und Urin in der Luft hing, überdeckt von Antiseptika und Reiniger mit Fichtennadelduft. Neonlampen beleuchteten Zimmer und Flure, weiß gestrichen und mit weißen Böden. MacGregor stellte die Frauen einander vor, und Jordan Eagle schüttelte Jillian kräftig die Hand. »Sie sind die Frau, die die Attacke überlebt hat«, sagte sie mit abschätzendem Blick. Auch ohne Make-up war sie sehr schön, mit glatter, kupferfarbener Haut, dicht und schwarz bewimperten Augen und perfekten Augenbrauen. Sie hatte hohe Wangenknochen, die Nase war schmal und gerade. Zwischen vollen Lippen zeigten sich weiße Zähne, ein klein wenig unregelmäßig, was ihr Gesicht noch interessanter machte. »Sie haben Glück gehabt«, bemerkte sie.
    »Dank MacGregor.«
    Jordans Blick wanderte zu Zane. »Ich habe davon gehört. Und jetzt bist du ein Held?« Er schnaubte verächtlich und bedachte Jillian mit einem Blick, der ihr Schweigen gebot. »Wohl kaum.«
    Sie nahm den Wink mit dem Zaunpfahl nicht an. »Er hat mir das Leben gerettet«, sagte Jillian mit tonloser Stimme. »Zweimal.« Sie wollte, dass ganz Pinewood County und Umgebung die Tatsachen erfuhren, nicht die verzerrte Wahrheit, die wahrscheinlich Futter für den Klatsch der Ortsansässigen war. Nicht die verdrehten Fakten, mit denen das Büro des Sheriffs einen Fall gegen MacGregor aufbauen wollte.
    Jordan zog eine Braue hoch. »Na, so was, MacGregor. Ich wusste schon immer, was in dir steckt.« Er trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. »Wie geht es Harley?«
    »Etwas benommen, aber sonst gut. Ich habe sein Bein retten können, aber vermutlich wird er es kaum benutzen. Höchstens, um das

Weitere Kostenlose Bücher