Der Skorpion
vernagelt.«
»Nie im Leben!«
»So wahr ich hier sitze!« Ich hebe lächelnd die rechte Hand, während ich die Zicke viel lieber über den Tresen hinweg geohrfeigt hätte. »Und«, füge ich noch hinzu, »ich schlafe mit einer Vierundvierziger unterm Kopfkissen. Einer Magnum.«
»Geladen?«
»Aber sicher. Wäre doch sinnlos, wenn nicht.« Ich nippe noch einmal an meinem Glas. »Das ist kein Bluff.«
»Wirklich? Verstehe.«
Nein, wieder nicht. Du verstehst nichts, du dumme Kuh, und wirst auch nie verstehen.
Sie sammelt ein paar halbleere Gläser auf dem Tresen ein, und ich lasse mir mit dem zweiten Drink ein bisschen mehr Zeit. Ich muss vorsichtig sein. Ich will kein Misstrauen wecken. Jeder in dieser Gegend wird beargwöhnt. Selbst unter Freunden, unter Liebespaaren. Unter Mutter und Sohn.
Weil sie nicht begreifen. Und nie begreifen werden.
Alle sind so unglaublich dumm, genau wie Taffy.
Aber das ist kein Problem. Es könnte sich für mich sogar vorteilhaft auswirken. Es ist an der Zeit, ein Statement abzugeben. Ein bedeutungsvolles. Die Aufmerksamkeit der Polizei zu wecken. Ich blicke wieder auf den Bildschirm, und dieses Mal läuft Filmmaterial über die Leute vom Büro des Sheriffs an einem der Tatorte, aus der Ferne aufgenommen. Die meisten sind gut zu erkennen: Sheriff Grayson, Pete Watershed … und die beiden Detectives.
Ich knacke noch etwas Eis mit den Zähnen und genieße es, wie sich das kalte Wasser mit der Wärme des Wodkas vermischt.
Auf dem Bildschirm betrachtet die Ruhige, Dunkelhaarige – Alvarez – einen verschneiten Todesschauplatz, den oben bei der verlassenen Hütte. Sie hat hispanisches Blut in den Adern, das verraten mir nicht nur ihr Name und ihre warme kupferfarbene Haut, sondern auch das Blitzen in ihren dunklen Augen, das mir sagt, dass sie kompliziert ist und niemanden wissen lässt, was wirklich hinter diesen dunklen Latino-Augen in ihr vorgeht. Wahrscheinlich eine ganze Menge. Sie ist zierlich, feurig und hat vermutlich gute Gründe, niemanden an sich heranzulassen.
Alvarez ist klug, wie ihre Titel beweisen. Außerdem ist sie gerissen und tief im Inneren skrupellos, dafür möchte ich wetten. Ihr energisches Kinn weist darauf hin, die straffe wunderschöne Haut über ihren scharfen Wangenknochen.
Eine würdige Gegnerin.
Und dann die andere. Regan Pescoli. Ich mustere sie eingehend. Sie ist eine interessante Frau, beinahe das Gegenstück zu ihrer Partnerin. Pescoli nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Sie legt ihre Karten offen auf den Tisch und tippt mit langem, entschlossenem Finger darauf, lässt jeden wissen, wo sie steht. Sportlich, größer als Alvarez, mit einer Familie, die langsam zerbricht.
Die Arme.
Natürlich zerbricht sie, du Workaholic von Weib. Was für eine Mutter bist du denn? Was für eine Ehefrau warst du? Du bist eine Versagerin, Pescoli, und wirst nie etwas anderes sein.
Aber eine schöne Versagerin. Stark, klug und ach, so berechenbar. Regan Pescoli ist eine Frau, die so schnell nicht aufgibt … Doch jeder Mensch gelangt an den Punkt, wo er zerbricht.
Ich knacke weiter Eiswürfel und betrachte Pescoli, bis ein Reporter ihren Platz auf dem Bildschirm einnimmt.
Detective Pescoli, halte dich bereit.
Dein Glück neigt sich dem Ende zu.
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28. Kapitel
M ason Rivers war von der Bildfläche verschwunden. Er war nicht in seinem Büro, versteht sich. Schließlich war Sonntag. Nicht per Handy zu erreichen.
Und nicht zu Hause. Sherice auch nicht. Oder, falls sie zu Hause waren, meldeten sie sich nicht. Vielleicht beantwortete er auch einfach keine Anrufe mit unterdrückter Handynummer.
»Ich geb’s auf«, gestand Jillian und schob das Handy zurück in ihre Jackentasche. »Jedes Mal die gleiche Abwesenheitsmeldung in seiner Voicemail.«
MacGregor betrachtete den Rest in seinem Glas, ein dunkles Gebräu, das in Jillians Augen eher nach kaltem Kaffee mit ein bisschen Schaum aussah als nach Bier. »Und trotzdem scheint er in der Geschichte drinzustecken, ob vorsätzlich oder auch nicht. Derjenige, der dich angegriffen hat, wusste, dass du auf Anhieb an eine Beteiligung seinerseits denken und nach Missoula aufbrechen würdest.«
Sie furchte die Stirn. Die Kellnerin brachte Nachschub, warf einen Blick auf die unberührte Schale mit Salzgebäck und zog sich wieder hinter den Tresen zurück.
»Schön, dass ich so gut dressiert bin.« Sie lehnte sich zurück und suchte eine bequemere Haltung. Ihre Rippen heilten, schmerzten aber manchmal noch.
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