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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Limonenspalte mit einem dünnen schwarzen Strohhalm unter. »Ich war schwer verknallt in Aaron«, gestand sie. »Zu heftig und viel zu schnell. Es war wie eine Turbo-Romanze, zumindest am Anfang.«
    Sie erzählte MacGregor alles, was ihr über ihren ersten Mann in Erinnerung geblieben war. Wie sie geglaubt hatte, ihn wie verrückt zu lieben. Wie sie an exotischen Orten gewandert waren, gezeltet hatten. Wie sie unter freiem Himmel zu Hause waren, die Wanderlust zu ihrem Lebensstil machten. Aaron war Bergsteiger, Extrem-Skifahrer, begeisterter Bootsfahrer und überhaupt ein Abenteurer. Er betrachtete die Welt als seine Heimat und wollte jeden Zentimeter des Planeten sehen. So gelangten sie dann nach Südamerika.
    Jillian und Aaron hatten die Reise zusammen unternehmen wollen und sich einer Gruppe angeschlossen, doch vor dem Abflug war sie krank geworden, und Aaron war widerwillig allein aufgebrochen, verspätete sich aber und verlor so den Anschluss an die Gruppe. In Surinam angekommen, war er allein losgezogen und schließlich verschwunden.
    Jillian war am Boden zerstört gewesen und hatte sich noch über ein Jahr lang an die Hoffnung auf seine Rückkehr geklammert – selbst, als sie schon wusste, dass er eine halbe Million Dollar von Investoren unterschlagen hatte. Sie war die Hauptleidtragende, musste den Zorn der Investoren, die prüfenden Blicke der Versicherungsgesellschaften, der Presse und der Opfer über sich ergehen lassen. Alle hielten Jillian für Aarons Komplizin und Erbin eines Vermögens aus Lebensversicherungen, was absolut nicht zutraf. Mit der Zeit musste sie sich eingestehen, dass der Mann, den sie geliebt hatte, ein Gauner war, und sein Betrug schmerzte sie noch immer.
    »Weißt du, wie das ist, wenn alle glauben, du wärst an etwas so Hässlichem beteiligt?«, fragte sie und wünschte sogleich, die Worte ungesagt zu machen, als sie den Zorn in seinen Augen aufblitzen sah und sich an seine eigene Geschichte erinnerte. »Entschuldige. Natürlich weißt du das.«
    »Weiter«, verlangte er mit gepresster Stimme.
    »Viel mehr gibt es nicht zu berichten. Ich bin nach Surinam gereist, um ihn zu suchen. Ich habe mich sogar mit den dortigen Behörden angelegt, was pure Dummheit war. Inzwischen glaube ich, dass ich großes Glück hatte, nicht verhaftet zu werden. Aber es war mir alles gleich. Nach drei Monaten ohne Erfolg flog ich zurück in die Staaten, und etwa zwei Jahre, nachdem ich mich mit meinem Witwendasein abgefunden hatte, fanden ein paar deutsche Wanderer seinen Rucksack in der Wildnis hoch oben in den Bergen. Man vermutete, dass er in eine von hohen Bäumen bewachsene Schlucht gestürzt war, wo seine Leiche aufgrund der steilen Felswände und des dichten Gestrüpps nicht zu finden war. Ein Suchtrupp wurde ausgeschickt, doch man fand ihn nicht.« Jillian leerte ihr Glas, ließ nur das Eis und den Limonenrest übrig. »Irgendwann musste ich akzeptieren, dass er dort oben im Gebirge gestorben war, und, weißt du, ich fühlte mich schuldig, weil ich nicht bei ihm gewesen war.« Sie stieß höhnisch den Atem aus. »Sogar die Versicherung hat letztendlich gezahlt, und mit dem Geld habe ich die Investoren entschädigt, mehr schlecht als recht, aber es war immerhin etwas. Blieben noch die Anwälte.« Sie lächelte schief. »Sagen wir’s mal so: Ich bin dadurch nicht reich geworden.«
    »Und ein paar Jahre später hast du Mason Rivers geheiratet.«
    Sie verdrehte die Augen zur Decke. »Noch so eine tolle Idee.«
    »Und der lebt in Missoula.«
    »Genau.«
    MacGregor streckte die Hand aus und zog das Handy, das er ihr gegeben hatte, aus ihrer Jackentasche. »Was meinst du? Wollen wir ihn anrufen?«
     
    An ihrem Arbeitsplatz vergraben, eine Flasche Wasser neben einer Tasse mit erkaltendem Tee auf dem Tisch, blickte Alvarez auf ihren Monitor. Ihr Hals war kratzig und trocken, ihre Nase lief, doch die Symptome der Grippe, oder was immer sie sich da eingefangen hatte, waren vergessen, als sie den Satz zusammengesetzt hatte:
    MEIDET DEN SKORPION
    Aber das Z? Wahrscheinlich lag sie ganz falsch, doch sie spürte dieses Prickeln in den Adern, dieses Bauchgefühl, das ihr sagte, dass sie da auf etwas gestoßen sein musste.
    Aus den Augenwinkeln sah sie Pescoli ihre Jacke anziehen und dem Ausgang zustreben. »Hey, sieh dir das an«, rief Alvarez und zupfte ein Papiertuch aus der Schachtel auf ihrem Schreibtisch. Sie putzte sich kräftig die Nase und warf das Taschentuch in den bereits überquellenden Papierkorb.

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