Der Skorpion
Ihre Partnerin kam zurück.
»Was?« Pescoli blieb im Zugang zu Alvarez’ ordentlicher Nische stehen, zupfte ihre Jacke zurecht und starrte auf den Bildschirm. »Meidet den Skorpion?«, las sie fragend vom Monitor ab. »Was soll das denn heißen?«
Also hatte ihre Partnerin es auch gesehen. »Alle Buchstaben, die wir an den Tatorten gefunden haben, sind in dieser Botschaft enthalten. Aber das Z ist noch übrig.« Alvarez zeigte auf die auf ihrem Schreibtisch ausgebreiteten Kopien der Botschaften, die der Täter zurückgelassen hatte. Die letzte Botschaft lag ganz vorn:
M ID T DE SK N Z.
»Mir sind die Zwischenräume zwischen den Buchstaben aufgefallen, wie in einem Lückenrätsel. Ich habe einfach die fehlenden Buchstaben eingesetzt: Me ID eT DE n SK orpioN.«
»Und du glaubst, das ist die Botschaft?«, fragte Pescoli verhalten. »Gut, alle Buchstaben sind da, aber das Z ist noch übrig. Geschickt gemacht, aber was besagt das? Dass er sich Skorpion nennt?«
»Er will uns etwas damit sagen«, erklärte Alvarez. »Falls die Sterne auf den Botschaften, die er am Tatort hinterlassen hat, und die in den Baumstamm geritzten Sterne sämtlich der Konstellation Orion zuzuordnen sind und die Initialen der Opfer Teil dieser komplizierten Botschaft sein sollen, dann …«
»Dann haben wir viele Opfer noch nicht gefunden, oder viele Frauen sollen noch entführt werden.« Pescoli hörte sich genauso müde an, wie Alvarez sich fühlte.
»Und Jillian Rivers ist kein Opfer, wie wir bereits vermutet haben. Nur noch eine weitere Bestätigung, dass ihr hauseigener Irrer es auf sie abgesehen hat.«
»Der immer noch frei herumläuft. Ich wollte, Jillian Rivers wäre geblieben, wo sie war.«
»Ja, genau.« Auch Alvarez passte es nicht, dass Jillian das Krankenhaus verlassen hatte, und wenn sie auch angerufen und sich gemeldet hatte und nun wusste, dass sie nicht als Opfer des Sternmörders angesehen wurde, schwebte sie doch immer noch in Gefahr. Das hatte Alvarez ihr auch gesagt. Doch die Polizei konnte sie nicht daran hindern, den Bundesstaat zu verlassen.
Pescoli schüttelte den Kopf. »Vielleicht hat deine Interpretation der Botschaft gar nichts zu sagen. Sie könnte falsch sein. Folge zu vieler rezeptfreier Medikamente und eines grippeumnebelten Hirns.«
»Es liegt nicht an der Grippe.«
»Schön. Aber trotzdem.«
»Ich weiß, dass es nichts Konkretes ist. Und vermutlich könnten auch noch weitere Buchstaben eingeschoben, andere Sätze konstruiert werden. Außerdem ist da noch das überschüssige Z. Aber ich habe so ein Gefühl, dass genau dies die Botschaft ist.«
»Okay.« Pescoli verschränkte die Arme. »Wenn deine Theorie also stimmt, dann heißt das, dass er noch weitere Opfer ins Auge gefasst hat, nicht wahr? Dann müsste er Frauen entführen, deren Initialen den Buchstaben entsprechen, die in der Botschaft noch fehlen.«
»Stimmt. Aber deshalb können wir nicht alle möglichen Frauen im Umkreis von zehn Meilen warnen. Wir können nun wirklich nicht sagen: ›Falls Ihr Name mit E oder R beginnt, halten Sie sich bitte nicht hier in dieser Gegend auf.‹«
»Aber wir könnten in der Vermisstenliste nachsehen, ob dort Personen verzeichnet sind, deren Namen die Initialen …«, Pescoli blickte auf Alvarez’ Kritzeleien, »E, O, N, P, I oder R enthalten.« Sie schrieb die Buchstaben an den Rand und grinste. »Eonpir. Klingt nach einem von den Aliens, die Ivor Hicks entführt haben.«
»Keine schlechte Idee, die Initialen der vermissten Frauen mit diesen Buchstaben abzugleichen«, sagte Alvarez. Dadurch konnte vielleicht festgestellt werden, ob ihre Interpretation der Botschaft die richtige war.
»Hey, Moment noch.« Regans Grinsen schwand, als sie die niedergeschriebenen Buchstaben betrachtete. »Ist dir aufgefallen, dass ein R und ein P dabei sind?«
»Nein.«
Pescoli knurrte: »Kein S und kein A, also kannst du dich wohl sicher fühlen.«
»Es ist ja nur eine Theorie«, sagte Alvarez.
»Und das, nachdem die verrückte Grace Perchant Gespenster um meinen Kopf tanzen sah.« Pescoli fuhr sich seufzend durch ihre wirren Locken. »Kann dieser Tag noch schlimmer werden? Ich muss raus hier.« Alvarez griff ernüchtert nach ihrer Teetasse, musste jedoch feststellen, dass der Orange Pekoe ganz kalt geworden war. Sie stellte ihn zurück auf den Schreibtisch und versuchte, sich nicht entmutigen zu lassen. »Es ist ja nicht viel«, gestand sie, griff hastig nach einem Kleenex und nieste hinein, »aber doch immerhin
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