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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fernglas beobachten können, wie die Leute vom Büro des Sheriffs in die Schlucht ausschwärmten, einige auch den Berg hinauf, nach Spuren suchten, Hinweise sammelten, im Schnee kratzten wie Hunde auf der Suche nach Knochen im Sand. Andere, die Fauleren, drängten sich um das Autowrack, rieben sich das Kinn, furchten die Stirn und redeten und kamen doch nicht weiter.
    Als ich die Schranktür schließe, höre ich sie aufschreien. Dann ein Wimmern.
    Vielleicht war sie eine schlechte Wahl. Sie scheint nicht besonders viel Rückgrat zu haben. Aber es ist noch früh. Sie wird schon noch zu sich kommen. Ganz sicher treten dann Wildheit und Leidenschaft zutage.
    Ich weiß, dass sie eine von den Auserwählten ist. Wie die anderen auch.
    Ich lausche dem Heulen des Windes und überlege, wo genau ich sie ihrem Kampf mit dem Schicksal und den Elementen überlassen will. Noch ist sie durch den »Unfall« zu sehr mitgenommen, um sich bewegen zu können, aber binnen einer Woche wird sie so weit genesen sein, dass ich sie zu der perfekten Stelle bringen kann. Sie muss abgelegen, aber zugänglich sein, damit die Schwachköpfe, die im Büro des Sheriffs arbeiten, sie finden können.
    Noch einmal studiere ich die Forstkarte, folge mit dem Finger dem Kamm einer kleineren Bergkette, die von den Bitterroots abzweigt, und erinnere mich an ein Tal, in dem ich vor langer Zeit gejagt habe. Das leicht bergige Wiesenland wird von spärlich verteilten Bäumen gesäumt. Ich überlege angestrengt, rufe Erinnerungen wach, sehe das Bild dieser paar Hektar Grasland vor meinem inneren Auge.
    In der frühen Morgendämmerung habe ich dort einmal einen Elch gesehen, einen muskulösen Bullen bei einer knorrigen Tanne, die Schaufeln mindestens eins fünfzig breit, die dunkle Mähne und das dunkle Fell im Dickicht kaum sichtbar. Ich habe auf ihn geschossen, ihn aber verfehlt, und er verschwand wie ein Gespenst. Als ich meine Gewehrkugel wiederfand, steckte sie tief im schuppigen Stamm einer einzelnen Tanne. Dieser Baum, sofern er noch steht, wäre der perfekte Todespfahl.
    Sorgfältig studiere ich die Karte. Es gibt so viele Schluchten und Bergrücken, Orte, an denen eine Leiche erst im Frühling gefunden würde, und vielleicht nicht einmal dann. Aber das wäre mir nicht recht.
    Die Frau muss schnell gefunden werden.
    Ich muss weiter nach der perfekten Stelle suchen.
    Gott und die Vorsehung sind auf meiner Seite.
     
    »Also, was haben wir?«, fragte Alvarez. Der vom Wind gebeutelte Jeep schlingerte auf dem vereisten Untergrund.
    »So gut wie nix.« Pescoli saß hinterm Steuer, kniff die Augen zusammen und mühte sich, das Fahrzeug auf der Straße zu halten. Zwar kämpften die Scheibenwischer hektisch gegen die dicht fallenden Flocken, doch die Sicht war beinahe gleich null. Die Straße, auf der sie sich befanden, war bereits gesperrt, die Schneepflüge kamen gegen die Schneemassen nicht mehr an. Vor ihnen arbeiteten sich die Wagen der anderen Polizisten vom Tatort langsam über das unebene Bergterrain.
    »Tja, so gut wie nix.« Der Polizeifunk knisterte, die Enteisungsdüse blies so viel warme Luft ins Wageninnere, dass sich Alvarez mit den Zähnen die Handschuhe auszog und dann den Reißverschluss ihrer Jacke öffnete. Es roch leicht nach Zigarettenrauch, in den Haltern standen halb geleerte Trinkbecher.
    »Wir kennen seine Vorgehensweise.« Pescoli starrte finster durch die Frontscheibe und heftete den Blick auf die verschneite Straße.
    »Vorerst sehen wir eine Verbindung zwischen dem Subaru und den anderen Fahrzeugen, die wir gefunden haben.« Alvarez gefiel die Richtung nicht, die ihre Gedanken nahmen. Sie war überzeugt, dass das Wrack des Subaru auf eine Frau zugelassen war, die jetzt als vermisst galt und die in diesem Moment irgendwo im Umkreis von fünf Meilen gefangen gehalten wurde. So nah und in diesem Schneesturm doch Welten entfernt.
    Während Pescoli sich aufs Fahren konzentrierte, rief Alvarez die Kraftfahrzeugbehörde des Bundesstaates Washington an, bekam eine Verbindung, wurde jedoch in die Warteschleife geleitet. Als der Beamte sich schließlich meldete, weigerte er sich, Selena am Telefon erschöpfende Auskunft zu geben, versprach jedoch, die Registrierung des Wagens per Fax und gleichzeitig per E-Mail an das Büro des Sheriffs zu schicken. Wenn Alvarez und Pescoli zurück ins Büro kämen, läge ihnen die Identität des Fahrzeugbesitzers bereits vor.
    Aber nicht die des Mörders.
    »Wenn dieser Wagen also zwei, möglicherweise auch

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