Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
hatte sie nach Missoula zum Einkaufen fahren wollen, doch dank des Unwetters und der laufenden Ermittlungen würde sie wohl auf Plan B zurückgreifen müssen, wie immer der auch aussehen mochte.
    Da aus dem Untergeschoss nichts zu hören war, stieg sie die Treppe zu Jeremys Zimmer hinunter. Cisco flitzte ihr voraus, und um ein Haar wäre sie über ihn gestolpert. Sie fand ihren Sohn schlafend auf dem Bett vor, die Ohrhörer seines iPod in den Ohren. Trotzdem hörte sie leise Musik. Der Junge war offenbar entschlossen, bis zu seinem dreißigsten Geburtstag stocktaub zu werden. Herrgott, manchmal konnte er sie zur Weißglut bringen.
    Sie stand an der Tür und betrachtete ihn. Der lange Schlaks lag auf dem Rücken, schnarchte leise und wirkte so friedlich, dass sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Sie dachte daran, wie sie mit ihm aus dem Krankenhaus gekommen war, voller Angst, einen Sohn zu haben, nachdem sie doch in einer Familie mit vier Mädchen aufgewachsen war und ihr Vater sich so in der Minderheit fühlte, dass er sich schließlich aus dem Staub machte. Na ja, das war wahrscheinlich nicht der Grund gewesen, doch er war gegangen, als Regan gerade elf Jahre alt war, und hatte geäußert, er könne »in einem Haus voller Frauen« einfach nicht leben. Da hatte sie verstanden, warum ihre Eltern so viele Kinder hatten: Ihr Dad hatte unbedingt einen Sohn gewollt. Dass Regan, die Jüngste, eine ausgezeichnete Sportlerin war, fiel nicht ins Gewicht. Ihr Vater hatte auch nicht mehr erlebt, wie sie schießen und Basketball spielen konnte oder dass sie aufgrund ihrer jungenhaften Wildheit als lesbisch beschimpft wurde, kaum dass sie die Bedeutung solcher Wörter kannte.
    In Anbetracht ihrer bisherigen Männerbekanntschaften, dachte sie jetzt, hätte sie es sich vielleicht wirklich überlegen sollen, ans andere Ufer überzuwechseln. Doch das wäre unmöglich gewesen. Es war nun mal so, dass sie Männer mochte, und besonders die knallharten sexy Kerle. Nicht die Kriminellen. Nein, die waren schlicht und ergreifend Loser. Aber die Aufreißertypen … ja, für die hatte sie eine Schwäche. Nach denen war sie, wie sie sich manchmal eingestand, nahezu süchtig. Zum Beispiel Nate.
    Eigentlich war das dumm. Aber trotzdem konnte sie es nicht erwarten, wieder mit ihm zu schlafen.
    Aber das Wichtigste zuerst. Sie trat in Jeremys Zimmer – ein Zimmer, in dem es nach Pizza roch und … wonach noch? O nein, rauchte der Junge etwa Gras? Der Geruch war verhalten, aber sie war sicher, Rauch und die schwere Süße von Marihuana wahrzunehmen.
    Sie schimpfte leise vor sich hin. Der Junge brauchte einen Vater. Vielleicht legte sie deshalb so großen Wert darauf, dass Jeremy Lucky akzeptieren lernte – damit er ein männliches Vorbild hatte, etwas, das ihm als Kind fehlte. Pech, dass sie sich einen solchen Loser ausgesucht hatte.
    Sie berührte seinen Zeh. »Hey«, sagte sie, und als er nicht reagierte, rüttelte sie so heftig an seinem Fuß, dass er wach wurde. Er blinzelte, und der vorherige friedliche Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht.
    »Was soll der Sch-?« Er fing sich gerade noch rechtzeitig, richtete sich zum Sitzen auf und zog die Ohrhörer heraus. »Mensch, Mom, hast du mir einen Schrecken eingejagt!«
    »Ich finde, wir müssen reden.«
    Er verdrehte die Augen. »Du findest
immer,
dass wir reden müssen.«
    »Warum willst du nicht zu Lucky?«, fragte sie, und als er zu einer Antwort ansetzte, hob sie die Hand und stoppte ihn. »Nenn mir einen wirklichen Grund.«
    Sein Gesicht war finster vor Hilflosigkeit. »Da ist es langweilig.«
    »Jaja, und hier ist es auch langweilig. Und übrigens, wenn du dir noch einmal etwas zu essen machst, vergiss nicht, hinterher aufzuräumen.«
    »Ja, Mom.«
    »Hast du Gras geraucht?«
    Er fuhr auf. »Was soll der Quatsch?«
    »Ich rieche es, Jeremy. Vergiss nicht, ich bin dafür ausgebildet.«
    »Fuck!«
    »Wie redest du?!«
    »Nein, Mom, kein Gras. Ich schwör, ich habe noch nie Drogen genommen. Nichts.«
    Sie sagte nichts dazu, weil sie ihm gern glauben wollte, doch sie arbeitete im Büro des Sheriffs. Sie wusste, wie weitverbreitet der Konsum von allen möglichen Drogen von Ecstasy bis Crystal war. »Du hast nie experimentiert?«
    »Ich war schon mal dabei, wenn einer was genommen hat, und frag mich nicht, wer, weil ich es dir sowieso nicht sage, aber ich selbst habe das noch nie getan.«
    Gott, wie gern hätte sie ihm geglaubt. »Und dieser Grasgeruch?«
    »Ein Freund war hier. Ich hab ihm

Weitere Kostenlose Bücher