Der Sodom Kontrakt
spät.
KAPELLEN. Es hatte sich wieder zugezogen. Der bleierne Himmel mit den schweren schwarzen Wolken lag düster über den Deichen und dem flachen Land. Gill hatte Goes hinter sich gelassen und fuhr ein kurzes Stück über die Autobahn. Monika saß rauchend neben ihm. Genüsslich füllte sie ihre Lungen mit tiefen Zügen heißen Rauches.
“Haben Sie es gemacht, um mit der Vergewaltigung fertig zu werden?” Gill traute dem Braten nicht.
“Vielleicht auch das. Vielleicht wollte ich wissen, ob ich die Zärtlichkeiten eines Mannes noch ertragen kann.”
“Sie sind eine ziemlich harte Frau, was?”
“Hat Harry auch gesagt. Aber in einer harten Schale...”
“...steckt ein harter Kern. Ich weiß.”
“Was hat es mit den Bildern auf sich? Warum fahren wir noch mal zu Kleber?”
“Die Bilder sind Dynamit. Harry hat Lambert beschattet und sie heimlich aufgenommen. Auf einem ist der angesehene Unternehmer und Politikerfreund in trauter Eintracht mit dem wahrscheinlichen Chef der Kinderschänder Nihoul zu sehen. Er hat die Kinder durch Dutroux kidnappen lassen, um sie auf seinen Partys den Gästen für perverse Spiele zu überlassen. Er hat einflussreiche Politiker gefilmt, als sie die armen Geschöpfe gequält und umgebracht haben. Mit Sicherheit hat er die Kinder auch an eine satanistische Gruppe verkauft. Die brauchen immer Menschenopfer für ihre Rituale.”
“Und Lambert kannte Nihoul. Also sind auch Deutsche verwickelt.”
“Entscheidend ist, wen Lambert kannte. Zum Beispiel einen Bürgermeister, mit dem er befreundet ist. Noch schlimmer: Er war und ist vielleicht noch Mitarbeiter des deutschen EU-Kommissars Veighans.”
“Die fette Sau, die mal Minister war?”
“Derselbe. Der ist schon ins Gerede gekommen, weil er mehr Geld ausgibt als ein EU-Kommissar verdient. Und das will was heißen! Als EU-Kommissar hat er ein höheres Gehalt als der Bundeskanzler. Außerdem lässt er sich Auftritte, bei denen er seine debilen Ansichten vorlallt, mit hunderttausend Mark bezahlen. Ein ganz übler Kerl.”
“Früher nannte man ihn Fatty.”
“Vielleicht ist Fatty auch ein Freund unseres schönen Hobbys.”
“Was?”
“So verschlüsseln Pädophile ihre Anzeigen in den einschlägigen Magazinen. Wie Wassersport oder Champagner für Praktiken mit Urin stehen...”
“Das ist ja widerlich.”
“Es gibt viel Widerliches auf diesem Planeten. Aber das Abschlachten von Kindern gehört zum Schlimmsten. Das hohe Niveau unserer Perversionen zeigt den hohen Standard unserer Zivilisation.”
“Ich kann mir nicht vorstellen, wie Harry sich mit diesen Leuten einlassen...”
“Harry war hinter Geld her. Er hat Lambert mit den Fotos erpresst. Aber wahrscheinlich war ihm nicht klar, dass er an einem Hornissennest geschaukelt hat. Weder Bürgermeister Neuhaus noch Veighans können zulassen, dass jemand Beweise gegen Lambert hat, die direkt mit der Dutroux-Geschichte zusammenhängen. Bei Ermittlungen würde man nicht nur Lambert drankriegen. Auch Neuhaus und Veighans müssten erklären, was sie mit einem Unternehmer verbindet, der bestens mit dem Chef der Kinderschändergang befreundet ist.”
“Das wäre auch für ihre Parteien unangenehm.”
“Richtig. Lambert unterstützt Neuhaus bei den Bebauungsplänen des Wittener Rathausplatzes. Wenn die Bürger hören, dass Neuhaus mit einem Kinderschänderfreund unter einer Decke steckt, wäre das kein gutes Argument.” Gill lachte zynisch. “Außerdem will Neuhaus wiedergewählt werden und kein Risiko für seine Partei werden. Die könnte ihn ganz schnell fallen lassen, wenn sie von der Sache Wind bekommt.”
“Politik ist wirklich kompliziert.”
“Nur schmutzig. Wenn man immer das Niederträchtigste und Gemeinste annimmt, kommt man der Wahrheit hinter den Masken der politischen Worthülsen gewöhnlich am nächsten. Ich habe selber lange genug die Drecksarbeit für diese Typen erledigt.”
“Als Geheimagent. Harry hat erzählt...”
“Geheimagent ist eine schöne Umschreibung für Totengräber und Betrüger. Ich habe geglaubt, dass man in dieser Welt für etwas mehr Gerechtigkeit sorgen kann. Das hat man ausgenutzt. Ich war eben jung und naiv.”
“Und was hat ihnen die Augen geöffnet?”
“Keine einzelne Erkenntnis. In meiner Branche erfährt man so einiges, das nur verschlüsselt in der Zeitung steht - wenn überhaupt. Man muss immer fragen, wer durch eine politische Tat einen Vorteil hat. Ist manchmal schwierig. Zum Beispiel die Ermordung des
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