Der Sodomit
an einem Ort wie diesem zu essen?
„Mihály!“
„Flinke Finger …“
Neben dem Sessel kauerte etwas.
„… stinken und sind faul …“
„Mihály?“
„… und kriegen den verdammten Latz nicht mehr zu.“
Gott, er war es. Auch wenn die Stimme nicht nach ihm klang und er kaum noch nach einem Menschen aussah.
Die Wunden an den Handgelenken reichten bis zu den Knochen. Die Fußgelenke sahen kaum besser aus. Die Schultern waren blau und die Arme hingen schlaff am Körper.
Mit trübem Blick sah ihn Mihály aus verkrusteten Augen an. „Ich musste mich erleichtern“, krächzte er. „Den Sessel fand ich passend. Stelle mir vor, es wäre Jacquiers Bein.“
Was hatten sie ihm angetan? Er redete wirr. Josias fühlte Mihálys Stirn, sie war heiß.
„Jetzt wollen meine Finger nicht das, was ich will. Auch meine Arme nicht.“
„Es macht nichts. Ich helfe dir.“ Er legte die Fackel beiseite, schloss Mihálys nassen Hosenlatz. Um das Vorderbein des Sessels floss eine Pfütze.
„Da war ein Mann. Er hat mich losgebunden.“
„Und dir fällt nichts Besseres ein, als einen Sessel anzupinkeln?“ Konnte Schmerz den Verstand zerstören?
„Ich wollte aufs Polster scheißen, aber ich habe mich nicht hochziehen können.“ Mihály sprach im Ernst, aber ohne einen Funken des Erkennens im Blick. Er wusste nicht mehr, wer Josias war. Redete mit einem Fremden.
Stöhnend drehte sich Mihály auf den Rücken.
Brandwunden. Seine Brust war übersät davon.
„Nicht hübsch, mh?“ Mihály war seinem Blick gefolgt und sah unglücklich seinen Bauch an. „Ich mag den Geruch von verbranntem Fleisch nicht. Dem Knecht war es egal. Jacquier auch.“
*
„Mihály.“
Josias schluchzte. Der Arme. Was war er für ein Sausack, dass er sogar seinen Süßen zum Weinen brachte? Wie war er überhaupt hierhergekommen? Sollte er nicht an einem Ort ohne Fragen sein? Weit weg? Er selbst war mit ihm dorthin unterwegs gewesen. Oder hatte er das nur geträumt?
„Ich traue mich nicht, dich anzuheben. Deine Arme …“
„… brauche ich nicht mehr. Nur noch mal kurz, um festgebunden zu werden.“
„Erkennst du mich nicht?“
Doch, sein Josias kniete vor ihm. „Du bist dumm, hier zu sein.“ Jeder, der klug war, würde einen Ort wie diesen meiden.
„Ich bin für dich hier, um dich zu retten.“
Warum weinte er dann ununterbrochen? War es so traurig, zu retten?
Mihály sollte sich freuen. Oder er sollte sich sorgen, um den Mann, der sein Leben für eine Leiche riskierte. Vielleicht sollte er auch wütend sein, dass Josias nicht früher gekommen war. Von all dem tat er nichts.
Konnte Gleichgültigkeit warm oder kalt sein? Konnte sie kratzen oder kitzeln? Sie konnte stehlen. Ihr Diebesgut waren seine Gefühle. Dummerweise hatte sie den Schmerz vergessen, mitzunehmen. Dafür war sie sich wohl zu fein.
Ein zittriger Finger schob sich in seinen Mund. Er roch und schmeckte nach Josias. „Die sind von Leske. Die nehmen den Schmerz. Du musst aufstehen und laufen. Wir müssen uns beeilen.“
Leske.
Wer sollte das sein? Der neue Geliebte von Josias? Mihály nahm es ihm nicht übel. Er selbst hätte sich nicht mehr mit der Feuerzange angefasst. Der Knecht hatte kein Problem damit gehabt. Die Spitzen hatten geglüht, bevor sie ihn kniffen.
„Ich helfe dir auf, komm!“ Josias fasste unter seine Schultern.
Mihály schrie. Nicht seine Schultern. Sie konnten nicht mehr. Er auch nicht, aber niemand fragte danach.
„Verzeih mir, aber wie soll ich dich hochheben? Wirkt die Arznei nicht?“
Die pelzigen Dinger in seinem Mund klebten sich an die Innenseite seiner Wange. Sollten sie sich nicht auflösen? Ohne Spucke war das kaum möglich.
Josias fluchte, rannte weg.
Gut. Er konnte wieder einschlafen. Direkt hier am Sessel. Vielleicht klappte das mit dem Scheißen später.
„Bin wieder da.“
Gütiger, war sein Kleiner flink auf den Füßen.
Wie viel Knochen steckten im Fuß? Er wusste es. Hatte sie gezählt. Verdammt viele waren es und einige waren winzig.
„Trink etwas, dann geht es dir gleich besser.“ Josias hielt ihm einen Becher an die Lippen. Wein. Lecker. Aber ihm war nach Wasser. Klarem, eiskaltem Wasser.
*
Mihály musste die Kugeln schlucken, durfte seine Schmerzen nicht mehr spüren. Sonst konnte er weder aufstehen noch laufen.
Der Mund war rissig und die Lippen zerbissen. Alles trocken. Ob er überhaupt schlucken konnte?
Nur ein wenig hob er Mihálys Kopf an, um ihm einen Schluck Wein einzuflößen.
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