Der Sodomit
Vielleicht spülte er Leskes Medizin hinunter.
Mihály würgte.
Josias hielt ihm den Mund zu. Die Kugeln durfte er nicht ausspucken.
Schluckte er? Oder musste er sich erbrechen? Langsam nahm er die Hand von Mihálys Mund. Er war leer. Gott sei Dank. Josias goss noch ein wenig Wein nach. Mihály verzog das Gesicht, schluckte aber dennoch.
Vom Gang her mühte sich Leske mit seinem Bruder ab. Dem Mann schien es nicht besser als Mihály zu gehen.
„Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren.“ Leske wartete nicht. Er hatte es ihm angedroht.
Vorsichtig hob Josias Mihálys Arm an und legte ihn sich über die Schulter.
Mihály keuchte, schrie. Es half nichts, er musste aufstehen.
Das Zittern in dem mageren Körper hörte nicht auf. Das Keuchen auch nicht. Wie sollte er ihm helfen? Warum wirkten die verdammten Kugeln nicht? Josias schlang die Arme um ihn. „Bitte, Mihály. Ich will dich bei mir haben.“ Er war Arzt, er bekam sich wieder hin und Josias würde ihm dabei helfen. „Du musst aufstehen. Du musst diesen Kerker verlassen. Ich will nicht, dass du stirbst.“ Gott, wenn er doch nur wieder zu sich kam.
Mihály schmiegte sein Gesicht in Josias Halsbeuge. „Tu mir nicht weh, Kleiner“, krächzte er. „Du siehst aus wie jemand, den ich abgöttisch liebe.“ Mühsam holte er Luft, verkroch sich aber nur tiefer in Josias Umarmung. „Ich habe ihm auch wehgetan, aber nicht so.“
„Mihály, komm mit mir und alles wird gut.“ Nicht weinen, nicht zu genau diesen geliebten, furchtbar zugerichteten Körper ansehen. Da drin steckte Mihály. Hinter all dem Gestank und Dreck, hinter dem Blut und dem Keuchen. Noch einmal drückte er ihn an sich, dann fasste er ihn um die Taille und stemmte ihn hoch. „Schritt für Schritt. Es ist nicht weit.“
Er sollte nicht lügen. „Es ist weit, aber wir schaffen es trotzdem.“
Mihály blieb mit dem Gesicht bei ihm. Er sagte nichts, stöhnte nur ab und zu. Josias schleppte ihn aus dem Gewölbe. Sie torkelten den Gang entlang zu der Pforte. Der Tunnel dahinter war dunkel und eng. Von vorn klang leise das Jammern Bartis zu ihnen. Würde Leske sofort ablegen? Auch dann, wenn er sie hinter sich kommen sah?
„Wir müssen schneller laufen, Mihály.“
„Renn schon mal vor“, brummte es an seinem Hals. „Ich krieche dann hinterher.“
Der Tunnel war zu niedrig, um Mihály auf die Schulter zu nehmen. Bevor er ihn tragen konnte, mussten sie hier raus sein.
Mit einer Hand tastend an der Wand entlang, die andere fest um Mihálys Mitte geschlungen. „Ich lass dich nicht los, keine Angst.“
„Du riechst viel besser als ich.“ Mihály schnüffelte an Josias Hals. „Ich glaube, ich habe dich früher schon einmal gerochen.“
„Hast du auch.“
Noch einen Schritt. Und noch einen. Wieder einen.
Von vorn strömte ein frischer Hauch. Kälte und Nacht. Gleich hatten sie es geschafft.
„Mein süßer, wundervoller Mihály!“ Aus den Büschen rannte eine Frau auf sie zu, kaum, dass sie einen Fuß in die Freiheit gesetzt hatten. Sie streichelte Mihály über den Nacken, bemerkte die wunden Gelenke. „Dieses Lumpenpack! Verrecken sollen sie an meinem Ragout!“
War sie die Wirtin, von der Leske gesprochen hatte? Sie sah nett aus und erweckte nicht den Eindruck, sie verraten zu wollen.
„Ich helfe dir, mein Junge.“ Ihr Tätscheln ließ seine Wange brennen. „Péter ist mit Leske und Barti schon vorgegangen. Nur er weiß, wo das zweite Ruder ist. Also keine Angst, der Halunke von Bader wird nicht ohne euch fliehen.“ Sie stützte Mihály von der anderen Seite und gemeinsam schleppten sie ihn zwischen Dornensträuchern und Geröll nach unten.
Mal ging die Frau vor, mal er. Der Pfad war schmal und gewunden, bis auf das Mondlicht war es dunkel. Nur nicht fallen, nur keine Zeit verschwenden.
Mihálys Kopf hing auf der Brust und wackelte bei jedem Schritt hin und her. Doch noch setzte er seine Füße voreinander.
Der Frau liefen Tränen über ihre dicken Wangen. „Ich war immer friedlich“, fauchte sie wie eine tollwütige Katze. „Hätte nie einem Wesen was zuleide getan. Hühner, Enten, Gänse, Schweine, Ratten und Mäuse ausgenommen. Aber nun ist mir nach Mord, Junge.“
Wie gut er sie verstand.
„Dem Apotheker haben sie die Würde genommen. Ich habe ihn gesehen. Sogar sein kleiner, hochnäsiger Geselle hat bei seinem Anblick geweint.“ Ihr Nasehochziehen klang nach bodenlosem Zorn und nicht nach Mitgefühl. „Und sieh dir meinen hübschen Mihály an! Was ist
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