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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Regen prasselte aufs Dach.
    Dann bewegte sich der Bilderrahmen.
    Er glitt einen halben Zentimeter in den Raum zurück. Dann noch einen. Die Spinnen schoben ihn.
    Hannah hastete vor und legte ihr ganzes Gewicht auf den Rahmen.
    Einen Moment lang geschah gar nichts. Dann kratzte es an der Tür, und der Knauf drehte sich langsam. Erst in eine Richtung. Dann in die andere. Dann wackelte er hin und her – sie konnte sich monströse Borstenbeine auf der andern Seite vorstellen, die hart gegen die Tür stießen.
    Sie merkte, dass ihre Unterlippe zitterte. Sie war kurz davor zu weinen.
    Hör auf. Hör auf.
    Das Scharren hörte auf. Der Türknauf bewegte sich nicht mehr.
    Stille. Nur das gedämpfte Zischen des Regens.
    Sie sind fort, dachte sie. Erleichterung durchfloss sie, süß wie ein Stärkungsmittel. Sie sind fort.
    Dann hörte sie ein neues Geräusch ein Stück weiter hinten im Flur.
    Die Tür zu Miriams Zimmer ging leise quietschend auf.

23
    Nicholas erwachte mit rasenden Kopfschmerzen. Er blinzelte müde und sah auf die Uhr. Es war Viertel vor neun. Wie hatte er so lange schlafen können? Dann fiel ihm wieder ein, wie frustrierend der Vorabend verlaufen war. Was für eine zersplitterte Versammlung er einberufen hatte: einen indischen christlichen Priester, eine kürzlich verwitwete Frau, die so geheimnisvoll wie eine Sphinx war, eine weiße Hexe, die tausend Kilometer weit fort gezwungen worden war … und er selbst.
    Es war wie in diesem alten Spruch: Wenn du willst, dass etwas gründlich in die Hosen geht, dann bilde einen Ausschuss. Genau das hatte er getan. Wer wusste, wie lange Pritam Anand und Laine Boye noch weiter gestritten hatten, ob Quill lebte oder tot war, ob die Morde zusammenhingen oder reiner Zufall waren. Nicholas kam sich wie ein Idiot vor, weil er ihnen so viel erzählt hatte.
    Scheiß auf die beiden.
    Mehr denn je war er überzeugt von dem, was er gestern Abend gesagt hatte: Quill war schlau. Sie wusste, niemand, der seine fünf Sinne beisammenhatte, würde glauben, dass jemand so lange leben konnte, sich mitten in einer dicht bevölkerten Stadt verstecken und ungestraft so viele Morde begehen konnte.
    Er duschte rasch, zog sich an und hängte sich das Holunderholzhalsband um. Vor den Läden an der Myrtle Street gab es ein Münztelefon. Er musste wissen, wie es Suzette ging.
    Draußen war es, als würde die Welt unter Wasser stehen. Der sturzbachartige Regen des Vorabends hatte die Rinnsteine zu reißenden Bächen anschwellen lassen. Die Fußwege waren nass, und von den Grasstreifen neben ihnen sickerte Wasser in angrenzende Einfahrten. Am Himmel ballten sich graue Wolken, die wie monströse Fäuste nach unten drückten und ein noch nicht beendetes Werk abzuschließen drohten.
    Nicholas fischte ein paar Münzen aus der Hosentasche – genug, um in Sydney anzurufen und zu sehen, ob es Nelson besser ging. Und wenn nicht? Was, wenn sich sein Zustand verschlechtert hatte? Wenn er starb? Die Angst schnürte ihm den Magen zu. Dann wärst du schuld daran.
    Hinter ihm bremste ein Wagen ab. Ein zweites Fahrzeug hielt ein Stück vor ihm. Polizeiautos. Vier Türen öffneten sich, und vier Beamte stiegen aus.
    » Mr. Close?«
    Nicholas erkannte zwei der Beamten wieder: Sie waren in der Nacht, in der Dylan Thomas verschwunden war, beim Haus seiner Mutter gewesen. Er lächelte ohne jede Begeisterung.
    » Silberrücken und Fossey. Vermisst ihr Ruanda nicht?«
    Die Beamten fanden es nicht lustig.
    » Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen, Sir.«
    Pritam war seit sechs Uhr wach gewesen.
    Er war steif und frierend in der Kirchenbank aufgewacht, und der Anblick, der ihn begrüßt hatte, war der plötzlich waagrecht schwebende Christus gewesen, als hätte Gott beschlossen, die Kreuzigung sei in der Tat ein armseliges Schicksal für seinen eingeborenen Sohn, und er hätte das Kreuz deshalb aus der Erde gerissen.
    Pritam stand auf, schlurfte zum Pfarrhaus und setzte den Kessel auf. Er fühlte sich, als hätte er überhaupt nicht geschlafen. Während er Tee trank, steckte er das Telefon aus und das Modem ein und schaltete den kircheneigenen Laptop an.
    Laine Boye hatte Recht gehabt. Wenn man Nicholas Closes Theorien verwarf, alle Spekulation und Zufälligkeiten eindampfte, blieb eine schlichte Sache übrig: Eleanor Bretherton sah Mrs. Quill auf unheimliche Weise ähnlich. Pritam wünschte, er könnte auch das als Zufall abtun, aber er hatte gesehen, wie bleich John beim Blick auf Brethertons Foto geworden war. Und

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