Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
und wohin ich gehen sollte, und wer die Sachen meiner kleinen Kinder flicken durfte und wer nicht. Und so fing ich an, hin und wieder die eine oder andere Kleinigkeit zu ihr zu bringen. Zu Quill.«
    Nicholas fühlte sich plötzlich sehr klein. Das Haus um sie herum erschien ihm dünn und ohne Substanz. Eine zerbrechliche Schale aus Holz.
    » Wann war das?«, fragte er.
    Katharine öffnete den Deckel der Teekanne. Dampf strömte aus und ließ ihr Gesicht verträumter und jünger erscheinen.
    » Ach, du warst … vielleicht drei? Suzette war jedenfalls noch nicht mal ein Jahr alt. Dein Vater trank vielleicht ein Bier pro Woche, wenn er den Rasen gemäht hatte.« Sie lächelte Nicholas traurig an. » Und er hasste Rum.«
    Nicholas erinnerte sich vage, wie sein Vater den Flur entlanggeschlurft war, gefolgt von einer ekelhaften Fahne aus Schweiß und Alkohol. Rum war das Einzige gewesen, was er getrunken hatte.
    » Das hat sich geändert.«
    » Ja.« Sie blickte ins Leere, weil ihr eine Erinnerung in den Kopf kam. Nicholas blieb still, er wollte diese sich so seltsam entwickelnde Unterhaltung nicht zerstören. Schließlich trank Katharine noch einen Schluck und gab sich einen Stoß.
    » Don war kein praktisch veranlagter Mensch. Ein freundlicher, witziger Mann, das ja. Dafür habe ich ihn geheiratet. Aber er konnte einen zum Wahnsinn treiben, er war in vielem unversöhnlich. Du wirst ihm immer ähnlicher. Wie viel habe ich dir erzählt?«
    Nicholas legte den Kopf schief. » Worüber?«
    » Über den Tod deines Vaters.«
    » Genug, dass ich keine weiteren Fragen gestellt habe.«
    Katharine fuhr sich mit der Zunge über den Mund. Nickte.
    » Er nahm eine Arbeit in Biloela an und ging für ein paar Wochen weg. Erinnerst du dich daran?«
    Nicholas schüttelte den Kopf.
    » Nun, ich war nicht allzu glücklich darüber, dass er wegging und mich mit euch beiden allein ließ«, fuhr Katharine fort. » Vielleicht war es die Verärgerung, vielleicht aber auch der Umstand, dass ein bisschen zusätzliches Geld ins Haus kam, jedenfalls fing ich an, das eine oder andere Kleidungsstück zu Quill zu bringen.«
    Nicholas betrachtete seine Mutter aufmerksam. Sie vergrub die Hände nervös ineinander.
    » Er kam jedenfalls bester Stimmung und voller Geschichten zurück. Ich hatte mich inzwischen um ein Kleinkind und ein Baby kümmern dürfen. Ich war stinksauer. Ich erzählte ihm, wie gut wir ohne ihn zurechtgekommen waren. Ich erzählte ihm, wie ich zerrissene Hosen und Hemden ohne Knöpfe zu Mrs. Quill gebracht hatte – ich weiß gar nicht mehr, wie wir darauf kamen. Aber wir kamen darauf. Und plötzlich …«
    Sie sah ihn an. Ihre Unterlippe zitterte.
    » Plötzlich sah er aus, wie du jetzt. Blass und gehetzt.«
    Nicholas blinzelte. So viel hatte er praktisch noch nie über seinen Vater gehört. Und wenn, dann immer mit einem halb unterdrückten Fluchen.
    » Und?«, fragte er.
    » Und er ging zu ihr.«
    Katharine sah ihn lange an, dann senkte sie den Blick zum Teewärmer.
    » Was ist passiert?«
    » Ich weiß es nicht«, erwiderte sie, nahm den Teelöffel und wischte ihn am Tischtuch ab. » Ich weiß es wirklich nicht. Als er zurückkam, war sein Gesicht rot vor Wut. Er ging in seine Garage und begann, an etwas herumzuhämmern.« Sie zuckte mit den Achseln.
    » Aber …?«, drängte Nicholas behutsam. Er wusste, was als Nächstes kommen würde.
    Katharine seufzte. » Aber er begann zu trinken. Etwa eine Woche später brachte er eine Flasche Bundaberg mit nach Hause. Ja, und ungefähr zwei Monate später habe ich ihn dann aufgefordert auszuziehen.«
    Nicholas dachte an die wenigen Gelegenheiten, bei denen er seinen Vater danach noch gesehen hatte, es waren Eisbergmomente gewesen – kalte, scharfe Spitzen mit einer gewaltigen Masse an Unglück, die darunter verborgen lag. Wenn er um elf Uhr abends an die Tür gehämmert hatte. Wenn er ihn und Suzette nach der Schule getroffen hatte. Jedes Mal war er ein bisschen dünner gewesen, bis man sich am Ende nicht mehr vorstellen konnte, dass noch etwas von dem Mann übrig war, das verloren gehen konnte.
    » Und dann der Unfall«, sagte Nicholas leise.
    » Und dann der Unfall.«
    Er sah Tränen in ihre Augen steigen. Der Tee kühlte ab, und kein Dampf zeichnete ihre Züge mehr weicher. Sie hatte das mittlere Alter hinter sich und wurde zu einer alten Frau. Schrumpfte. In Nicholas’ Innerem wurde alles hart und kalt. Quill hatte seinen Vater getötet, er war überzeugt davon.
    » Hast du die

Weitere Kostenlose Bücher