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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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der einzige Gefährte der Frau, und bis zu einem gewissen Grad hatte er Recht damit.
    » Kann ich Sie irgendwohin bringen? Zu einem Tierarzt? Oder nach Hause?«
    » Ach, mein Lieber«, sagte die alte Dame. » Das wäre zu nett.«
    Miles Kindste lächelte, vielleicht durchfloss ihn ein warmes Gefühl ob der guten Tat, die zu tun er im Begriff war. Er öffnete die Wagentür an seinem letzten Tag auf Erden.

28
    Sie herauszuholen, erwies sich als erschreckend einfach.
    Nicholas gab dem Taxifahrer einen Fünfziger und bat ihn, in der Einfahrt des Krankenhauses zu warten, dann eilte er in das Gebäude. Er schnappte sich einfach einen von mehreren Rollstühlen, die im Korridor herumstanden, und ging zu Laines Station. Er lungerte davor herum, bis die Dienst habende Schwester außer Sicht war, dann fuhr er den Rollstuhl an Laines Bett.
    Ihr sonst leicht oliv getöntes Gesicht war blass. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihr Atem ging flach und langsam. Nicholas ging zu einem Schränkchen an der gegenüberliegenden Wand und wühlte in den Plastikschubladen nach einem Pflaster, dann zog er den Schlauch aus Laines Arm. Er wollte eben das Loch verschließen, das die Nadel hinterlassen hatte, als ihn ein großer, rubinroter Tropfen einhalten ließ, der aus der Wunde schwoll. Eine Kugel: rund, dick und vollkommen. In seinem Kopf bildete sich eine Gewissheit heraus. Er wusste, was er zu tun hatte.
    Er hob Laine sachte an und streifte ihr das Nachthemd von den Schultern. Er schob es nach unten bis knapp über die kleinen Brüste, um ihr Brustbein freizulegen. Dann tauchte er die Fingerspitze in den großen Blutstropfen an ihrem Arm und zog eine senkrechte Linie mit einem Halbdiamanten an der Seite über ihr Brustbein. Er betrachtete sein Werk kritisch, dann besserte er die Linien mit dem kleinen Rest Blut aus, so dass sie überall gleich dick waren. Zufrieden mit seiner Arbeit streifte er ihr das Nachthemd wieder über die Schultern und klebte das Pflaster auf den Unterarm.
    Sie war überraschend leicht. Er setzte sie in den Rollstuhl, postierte die Füße auf die Stützen, legte eine Decke über ihren Oberkörper und schob sie hinaus. Das Taxi wartete noch. Es hatte keine zehn Minuten gedauert, eine bewusstlose Frau aus der geschäftigen Station eines öffentlichen Krankenhauses zu entführen. Eine Sache, die ich mir in den Lebenslauf schreiben kann, dachte er mit düsterer Ironie und bat den Taxifahrer, sie zur Lambeth Street, Tallong, zu fahren.
    Nacht.
    Spinnen woben eifrig Netze zwischen Pfefferbäumen und Mandragora.
    Am Himmel braute sich Regen zusammen. Einige tastende Tropfen fielen auf das Schindeldach der alten Hütte, rollten zum Rand und blieben über einem wuchernden Kräutergarten hängen: ein üppiges Dickicht aus Hopfen, Vogelmiere, Liebstöckel, Tonkabohnen, High John, Ringelblume und Huflattich.
    Im Innern der Hütte lag ein nackter Mann auf dem Rücken neben einem flackernden Feuer. Miles Kindstes Augen standen dümmlich offen und starrten ins Leere. Sein Atem ging langsam, von Beruhigungsmitteln gebremst. Seine Erektion war gewaltig. Aus einem sauberen, tiefen Schnitt neben dem großen Zeh seines rechten Fußes sickerte Blut. Er konnte weder sehen noch auf andere Art registrieren, dass eine Spinne von der Größe einer Beutelratte auf einer Decke in einer Ecke des dunklen Raums saß.
    Eine Gestalt trat aus der Hütte, gebeugt aber lebhaft. Sie wickelte sich ein Kopftuch zum Schutz gegen den kalten Regen um und ging über den gepflasterten Fußweg zum Garten. Zwar löschten die Wolken gerade das letzte Abendlicht vom Himmel, aber ein Beobachter hätte sehen können, dass ihr Gesichtsausdruck hart wie Feuerstein war.
    Ihr Weg schlängelte sich zwischen Weißdorn- und Brombeerstauden hindurch zu einem Ring aus Bäumen – vierundzwanzig Eugenia, die in einem breiten Kreis gepflanzt waren, hochgewachsen und schön. Tief unten am Stamm war in jeden der Bäume ein anderes geheimnisvolles Symbol geritzt. Die alte Frau verließ den Pflasterpfad und ging außen um das kreisförmige Wäldchen herum, bis sie den Baum gefunden hatte, den sie suchte. Zärtlich strich sie über den Stamm. Dann griff sie an ihren Gürtel und zog flüsternd ein scharfes Stilett hervor. Sie schnitt einen fingerdicken Ast von dem Baum und trat in den Kreis.
    Der Baumring hatte einen Durchmesser von etwa zehn Metern. Die Fläche zwischen den Bäumen war sandig und sorgfältig von Unkraut freigehalten. Viele Dinge befanden sich innerhalb des

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