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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Terrier auf dem Gehsteig. Sobald Nicholas’ Blick auf das Tier fiel, wedelte es langsam mit dem Schwanz. Es beobachtete ihn.
    Nun, da Nicholas ihn erkannt hatte, erhob sich Garnock träge von seinem Hinterteil und trabte die Bymar Street entlang in Richtung Carmichael Road.
    Nicholas sah ihm nach und stellte fest, dass er zitterte.
    Ich habe schreckliche Angst.

13
    Er saß zitternd auf einer breiten Betontreppe. Hinter ihm erhoben sich die massiven Wände der Staatsbibliothek, ausgedehnte Scheiben aus nacktem Beton und Glas, die wie ein kolossaler Stapel unerwünschter Telefonbücher aussahen.
    Die Morgensonne war wie ein winziges, sinnloses Zeichen in wolkenlosem, kaltem Blau. Nicholas hatte die Arme fest um sich geschlungen in der Kühle – die Sonnenstrahlen krochen erst langsam an der mächtigen Front der Bibliothek nach unten, ihr bisschen Wärme schon verlockend nahe und doch außer Reichweite. Ringsum warteten weitere Bibliothekskunden: bärtige Männer in Anoraks, korrekte Frauen mit straff frisiertem Haar und Umhängetaschen, Studenten mit Abgabetermingesichtern, alte Männer, die sich so gerade hielten wie ihre Gehstöcke. Nicholas zog widerwillig die Hand aus der warmen Tasche und sah auf die Uhr.
    Es war fast neun. Die Fahrt in die Stadt war langsam und deprimierend verlaufen. Im Stoßverkehr festsitzend war er gezwungen gewesen, an einem Mann vorbeizukriechen, der sterbend am Straßenrand lag. Die Lippen des Manns waren weiß gewesen, seine Augen groß vor Angst und Verwirrung, die Brust eingedrückt, mit herausstehenden Rippen, der Kopf von unsichtbaren Händen hochgehalten. Es hatte Minuten gedauert, bis er seinen letzten Atemzug getan hatte und einen Sekundenbruchteil später erneut auftauchte, aus einem Wagen geschleudert, der Wochen, Monate, Jahre früher verunglückt war. Nicholas bemühte sich, nicht hinzusehen, tat es unwillkürlich aber doch. Warum bist du immer noch hier? hätte er ihn gern gefragt. Warum kannst du den nächsten Schritt nicht tun? Du warst nicht böse, oder? Der kleine Dylan Thomas war nicht böse. Cate war nicht böse. Wieso seid ihr zu dieser entsetzlichen, endlosen Wiederholung eures Sterbens verurteilt? Als hätte er Nicholas’ Gedanken gehört, verdrehte der Tote die Augen zu ihm, während sein Körper zuckte. Angst und Verwirrung – das war alles, was Nicholas in ihren Augen sah. Entsetzen, Verwunderung, ein mutloses Verlangen, es endlich hinter sich zu bringen. Niemals Erleuchtung. Niemals Hoffnung. Kein Erahnen eines Himmels oder Spuren des Göttlichen. Er hatte den Blick abgewandt und sich gewaltsam in die nächste Fahrspur gezwängt.
    Unter den vor der Bibliothek wartenden Menschen machte sich Unruhe breit, und als sich die großen Glastüren öffneten, setzten sie sich geschlossen in Bewegung wie Kühe zur Melkzeit. Man hätte meinen können, sie stürmten los, um die letzten Bücher einer zum Untergang verurteilten Welt zu lesen. Nicholas erhob sich müde. Ich passe zu ihnen, dachte er. Ein zerzauster Mann, hinter dessen Augen ein seltsames Feuer brannte. Er schlurfte in das Bibliotheksgebäude.
    Drinnen schwirrte die kleine Menge auseinander wie Schwalben zu ihren Nestern. Manche huschten zum Informationsschalter, andere zu den Nachschlagewerken, ein paar zu den Mikrofichekatalogen, die meisten zu kleinen Lesenischen, wo sie Markentaschen neben LCD-Bildschirme stellten. Nicholas ging zu einem Platz weit hinten und besetzte ihn mit Bleistift, Notizblock und einer Flasche Wasser. Er schaute verstohlen, ob ihn jemand beobachtete, holte eine Sprühdose mit Insektenvernichtungsmittel aus seinem Beutel und stellte sie dicht neben seinen Stuhl. Dann machte er sich an die Arbeit.
    Eine halbe Stunde später beherrschte er den Umgang mit der digitalisierten Fotobibliothek. Auf dem Schirm leuchtete ein mit » Suchbegriffe« betiteltes Kästchen. In das tippte er » Carmichael Road«. Eine Grafikleiste füllte sich langsam, während der Computer suchte.
    » Ihre Suche hat 15 Treffer ergeben.«
    Die ersten Fotos stammten von verschiedenen Carmichael Roads in anderen Städten. Dann fand er Carmichael Road, Tallong. Er klickte den Link an. Das Schwarzweißfoto war von 1925; die Bildunterschrift besagte, dass es » R. Mullins Lieferwagen« zeigte. Hinter dem seltsam zerbrechlich aussehenden alten Fahrzeug war ein unscheinbares Haus zu sehen, das ohne Stromleitung oder Fernsehantenne auf dem Dach merkwürdig nackt wirkte. Er klickte auf einen neuen Link. Dieser brachte ein

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