Der Sog - Thriller
streng, als hätte er sich durch harte Erde ans Licht arbeiten müssen.
Nicholas tippte einen neuen Suchbefehl ein. » Landvermesser, Raff, Patterson.« Er biss sich auf die Unterlippe und tippte dazu: » Beerdigung.«
Er trank von seinem Wasser, während der Computer suchte.
» 2 Treffer.«
Das erste Bild hatte nichts mit seiner Recherche zu tun – es zeigte den Grabstein einer Glynnis Patterson aus Toowoomba. Aber beim zweiten stieß Nicholas zischend die Luft durch die zusammengebissenen Zähne aus. » Trauerfeier für Elliot Raff, Landvermesser. 1881. Henry Mohoupt. Bestatter.« Das Bild wies Risse auf, was den mattgrauen Himmel verwundet aussehen ließ. Eine Gruppe von Trauernden neben einem von Pferden gezogenen Leichenwagen vor Pritams Kirche. Die Bäume waren noch nicht so hoch, und die Kleider bauschiger, aber ansonsten war das Bild fast identisch mit dem zwanzig Jahre später aufgenommenem.
Nicholas machte sich eine Notiz: » Kirche?«
Er lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. Es war Mittag. Die Arbeitsplätze ringsum waren alle besetzt. Er sah nach draußen. Der Fluss lief angeschwollen und braun an der Bibliothek vorbei. Auf dem gegenüberliegenden Ufer fädelte sich eine Stadtautobahn in ein dicht mit Hochhäusern und Bürogebäuden bebautes Geschäftsviertel. An blaue Flecke erinnernde Wolken lungerten unzufrieden am Horizont herum.
Nicholas dehnte seinen Hals und versuchte, all die neuen Fakten in seinem Kopf richtig zu verstehen. Verschiedene Versteigerungen des Walds werden geplant. Alle Auktionatoren sterben in dem Jahr, in dem sie ihn zu verkaufen versuchen. Landvermesser planen, den Wald in Bauparzellen aufzuteilen. Sie sterben alle in dem Jahr, in dem sie die Pläne erstellen.
Er wandte sich wieder dem Monitor zu und tippte: » Wasserrohr, Bau.«
» 21 Treffer.«
Er brauchte zehn Minuten, um das letzte, viel sagende Bild zu erreichen. Die Bildunterschrift überraschte ihn bereits nicht mehr. » 3. August 1928. Arbeiter boykottieren Bau der Wasserleitung durch die westlichen Vororte nach mehreren tödlichen Unfällen.« Das Bild zeigte ein Ochsengespann und einen leeren Pritschenwagen neben verstreut herumliegenden Stücken von drei Meter hohem Rohr. Hinter den hartgesichtigen Männern und den plumpen Ochsen ragte düster der Wald auf. Er sprang zum Ende des Begleittextes zu dem Bild und las die Worte: » … wurde die unpopuläre Wasserleitung durch eine Nachbargemeinde umgeleitet.«
Er griff in seinen Beutel, zog Gavins Zigaretten hervor und steckte sich eine in den Mund. Eine Frau gegenüber sah ihn verächtlich an. Der Mann mittleren Alters neben ihm schleuderte empörte Blitze, ehe er aufstand und ging. Nicholas jonglierte mit der Zigarette im Mund; das trockene Rascheln des Filters zwischen den Lippen war irgendwie tröstlich. Der Wald war unangreifbar gewesen. Auktionatoren, Siedlungsplaner, städtische Wasserleitungen … etwas duldete niemanden in dem Wald. Aber die Kirche … wieso tauchte die Kirche ständig auf?
Er tippte » anglikanische Kirche« ein, dann zögerte er. Wie hatte die Inschrift auf dem Grundstein gleich noch gelautet? Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Er war im Regen vor der kalten, von Moos bewachsenen Kirche gestanden, hatte zu dem Marmorstein hinübergespäht und die Bleilettern gelesen » Zum Ruhme Gottes, 1888.« Er tippte das Jahr ein. Suche.
» 1 Treffer.« Er klickte auf den Link.
Er schaute. Seine gute Laune verschwand so schnell, als wäre eine Tür geöffnet und alle Wärme in eine arktisch kalte Nacht hinausgesaugt worden.
» Reverend Nathaniel de Witt steht neben Mrs. Eleanor Bretherton, die den Grundstein für die anglikanische Kirche von Tallong legt.« Während Reverend de Witt lächelte, blickte Bretherton mit unverhohlener Verachtung in die Kamera. In einer behandschuhten Hand hielt sie ein Führungsseil, an dem der schwere Stein an einem auf dem Bild nicht zu sehenden Kran hing. Es war jedoch nicht ihr Gesichtsausdruck, der Nicholas wie hypnotisiert auf sie starren ließ. Es war der Umstand, dass er sie kannte.
Eleanor Bretherton glich aufs Haar der alten Näherin in Jay Jay’s Kurzwarenhandlung, an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte. Der alten Frau, die Suzette solche Angst gemacht hatte. Mrs. Quill.
Das ist unmöglich, dachte er. Wie konnte Mrs. Quill fast ein Jahrhundert später in identischer Form wieder auftauchen? Bretherton musste ihre Großmutter sein, ihre Großtante vielleicht oder was immer. Doch
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