Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
Brogandas aus Batagia«, beharrte Lirandil.
Der Dunkelalb streifte die Kapuze zurück, und ein vollkommen haarloser Schädel kam zum Vorschein, der mit dunklen Runen übersät war. Die Ohren waren so spitz wie die eines Elben und die Augen auf gleiche Art schräggestellt. Dass beide Völker eng miteinander verwandt waren, war nicht zu übersehen.
» Wir respektieren Macht und Stärke«, sagte Brogandas.
» Auch die Stärke Ghools?«, wollte Lirandil wissen.
Es folgte ein längerer Moment des Schweigens.
» Der Rat der Mächtigen von Khemrand hat sich dazu noch keine abschließende Meinung gebildet«, erklärte Brogandas dann ausweichend. » Meine Reise hierher aber soll zu dieser Meinungsbildung beitragen.«
Ein hartes Lächeln bildete sich daraufhin um Lirandils Mundwinkel. » Ah, ich verstehe. Vermutlich wird man sich in Albanoy erst dann auf eine Seite schlagen, wenn man erkannt zu haben glaubt, wer aus dem heraufdämmernden Krieg als Sieger hervorgehen wird.«
» Es hat wenig Sinn, sich auf die Seite des Verlierers zu stellen«, entgegnete Brogandas. » Und davon abgesehen gibt es, bevor man ein Bündnis mit dem werten Haraban beschließen sollte, noch ein paar kleinere Streitpunkte zu regeln, etwa dass der Herzog von Pandanor– immerhin ein Vasall des Immerwährenden Herrschers– im Verlauf der letzten Jahrzehnte immer wieder Krieg gegen Albanoy geführt und uns einen beträchtlichen Teil unseres Landes genommen hat.«
» …um die Menschen und Halblinge, die dort leben, aus der Knechtschaft der Dunkelalben zu befreien«, fiel Arvan unüberlegt ein, aber er konnte in diesem Moment einfach nicht an sich halten. Es war bekannt, dass die Dunkelalben die Angehörigen anderer Völker, die in ihrem Reich lebten, mithilfe ihrer düsteren Magie unterdrückten, und in Albanoy gab es seit jeher eine recht große Kolonie von Halblingen, an deren Schicksal auch ihre Verwandten am Langen See regen Anteil nahmen, indem man dort alle Neuigkeiten aufmerksam verfolgte, die von dort kamen. Der Herzog von Pandanor galt im Halblingwald als Held und der Eroberungskrieg, den er zeitweilig gegen die Dunkelalben geführt hatte, als der ruhmreiche Kampf eines Befreiers.
Brogandas unterzog Arvan einer scharfen Musterung. » Euer Begleiter sollte sich mäßigen und sich nur dann äußern, wenn er gefragt wird«, sagte der Dunkelalb mit nicht zu überhörender Herablassung. » Und davon abgesehen sollte er sich vielleicht entscheiden, ob er nun Schweinehirt, Halbling oder Schwertkämpfer sein will. Seine Erscheinung scheint mir von allem etwas zu haben.«
Nicht noch einmal, Arvan!, vernahm der Ziehsohn von Baum-Meister Gomlo einen mehr als eindringlichen Gedanken von Lirandil. Der Fährtensucher bedachte ihn nur mit einem kurzen Blick und wandte sich dann wieder Brogandas zu. » Ein Diplomat ist er gewiss nicht. Aber das heißt nicht, dass es nicht der Wahrheit entspricht, was er sagt. Und vielleicht ist die Zeit der Diplomatie ohnehin vorbei und die Stunde der klaren Worte gekommen, werter Brogandas!« Lirandil machte eine Pause, während die Blicke aller auf ihn gerichtet waren. Arvan spürte, wie groß das Gewicht war, das die Anwesenden den Worten des Elben beimaßen– was jedoch noch lange nicht hieß, dass sie ihnen deshalb auch folgten.
» Gegen klare Worte hat niemand etwas einzuwenden«, lenkte Brogandas ein.
Lirandil nickte. » In der Zeit des letzten Hochkönigs waren die Menschen schwach«, fuhr er fort. » Aber die Schwäche hat dazu geführt, dass sie die Notwendigkeit einsahen, sich zu einigen. Das scheint mir heute nicht der Fall. Anstatt darüber zu streiten, wer als Hochkönig ausgerufen wird, sollten die hohen Herren lieber nach weiteren Bundesgenossen Ausschau halten– und diese nicht aus taktischen Gründen im Valdanischen Hafen warten lassen, wie es zurzeit offenbar dem König von Bagorien widerfährt!«
Haraban wollte darauf etwas einwenden, doch Lirandil hielt ihn mit erhobener Hand davon ab. » Davon abgesehen werden sich vermutlich weder Dunkelalben noch Zwerge und schon gar nicht die Orks des West-Orkreichs von einem Hochkönig der Menschen befehlen lassen. Von meinem eigenen Volk und seiner unseligen Gleichgültigkeit gegenüber allem, was westlich des Elbengebirges geschieht, will ich gar nicht erst reden…«
» Ihr sprecht von Orks als unseren Bundesgenossen?«, unterbrach König Candric den Elben. Seine Hand umfasste unwillkürlich den Griff seines Schwerts. » Mit den Scheusalen, die
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