Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
meinen Vater umbrachten, würde ich niemals Seite an Seite in die Schlacht ziehen.«
» Eure Vorgänger schlossen einst Frieden mit den Orks«, gab Lirandil zu bedenken. » Zudem stellen sich zurzeit allein die Orks des West-Orkreichs Ghools Horden entgegen. Ich habe lange mit dem Herzog von Rasal auf Burg Eas gesprochen, und er hat längst erkannt, dass die westlichen Orkstämme die einzigen seiner Verbündeten sind, die mehr als hohle Worte von sich geben. Sie vertun ihre Zeit auch nicht damit, sich gegenseitig bei der Wahl eines Hochkönigs zu überlisten«, fügte Lirandil noch hinzu und wandte sich dann an Arvan und die Halblinge. » Anscheinend war der mühsame Weg hierher vergebens. Am Blutfluss und in den Aschedünen wird womöglich schon gekämpft, und wahrscheinlich sind die ersten Stoßtrupps von Ghools Orks schon bis in die Dichtwaldmark vorgedrungen. Gehen wir.«
Zwei Schritte hatte Lirandil getan, als sich der Kanzler des Waldkönigs hastig erhob. » Wartet! Ich spreche gewiss für den Immerwährenden Herrscher, wenn ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringe, dass Ihr vielleicht einen falschen Eindruck von unseren Bestrebungen bekommen habt. Natürlich wollen wir ein Bündnis gegen Ghool schmieden, so wie Ihr es gefordert habt. Ihr habt über so viele Jahre mehr Geduld als jeder andere bewiesen, werter Lirandil. Jetzt lasst uns bitte nicht im Stich!«
Lirandil drehte sich um. » Wie ist Euer Name, Kanzler des Immerwährenden Herrschers?«
» Ich bin Welbo aus dem Stamm von Brado dem Flüchter– auch wenn man am Langen See in einem Halbling, der Stiefel trägt, einen Abtrünnigen sehen mag.«
Lirandils Augen wurden schmal, als er Haraban musterte. » Spricht Welbo tatsächlich für Euch, Immerwährender Herrscher?«
Aus Harabans Mund kam zunächst nur ein knarzendes Ächzen, schließlich aber auch ein undeutliches » Ja«.
» Lasst uns darüber beraten, wie es weitergehen kann«, bat Welbo. » Denn weder die Kriegselefanten von Gaa noch der Herzog von Rasal oder gar die Orks des West-Orkreichs vermögen die Bedrohung wohl auf Dauer aufzuhalten.«
» Ihr habt einen guten Kanzler, mein König«, sagte Lirandil an Haraban gerichtet.
Die Schlacht am Orktor
Herzog Dalmon von Rasal ritt einem langen Zug schwer gerüsteter Reiter voran. Polierte Harnische glänzten im Sonnenlicht. Am Morgen war dieses Heer von Eas aufgebrochen, der rasalischen Trutzburg an der Grenze zu den Orkländern, und auf die schroffen Grenzgebirge zugeritten. Nun erreichte es das gewaltige Orktor, das normalerweise eine tiefe Furche im Gebirge verschloss, einen Pass, durch den man von der rasalischen Grasmark ins West-Orkreich gelangte. Der Sage nach hatte diesen Pass einer der groben Orkgötter mit einer riesigen Streitaxt in das Gebirgsmassiv geschlagen, um Streit zwischen den Hornechsenreiterstämmen und den zu Fuß marschierenden Orks zu schlichten. Erstere hatten sich benachteiligt gefühlt, weil es bis dahin unmöglich gewesen war, auf Hornechsen reitend einen Raubzug in die Menschenländer zu unternehmen, während die zu Fuß gehenden Orks im Klettern geübt waren und von jeher das Grenzgebirge leicht überwanden.
Doch das war eine Legende. Und über ihren Wahrheitsgehalt wusste man so wenig wie über die Erbauer des gewaltigen Tores, das die Gebirgsspalte normalerweise verschloss. Es war aus dem Holz riesiger Bäume errichtet, von deren Art selbst in den Wäldern am Langen See keine mehr zu finden waren, und ragte höher empor als selbst die höchsten Türme der Hafenstadt Asalea an der Bucht von Rasal, wo Herzog Dalmon inzwischen eine große Residenzburg bezogen hatte. Deren Bau hatte noch sein Vater begonnen, und sie galt als eines der imposantesten von Menschen geschaffenen Bauwerke an der ganzen Ostküste von Athranor. Gegenüber dem gewaltigen Orktor kamen Dalmon die Tore seiner Hauptstadt und seiner Residenzburg allerdings winzig vor.
Dabei war er keineswegs das erste Mal hier. Von den Jahren seiner Regentschaft hatte er nur wenige in seiner prachtvollen Residenz in Asalea verbracht, meistens hatte er an der Südostgrenze seines Herzogtums gegen die Orks kämpfen müssen, die immer wieder in sein Reich eingefallen waren, und war zeitweilig sogar gezwungen gewesen, seinen Hofstaat nach Burg Eas zu verlegen, um der Grenze näher zu sein.
Mit großartiger Unterstützung von König Haraban, dessen Vasall Dalmon von Rasal formal gesehen noch immer war, konnte der Herzog nicht rechnen. Die Söldner des
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