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Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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wusste Arvan. Schon aus viel nichtigeren Gründen hatten die scheuen Tiere tagelang im hohen Geäst ausgeharrt, und selbst ein äußerst geschickter und sensibler Baumschafhirte wie Arvan konnte sie dann nicht dazu bringen, etwas anderes zu tun, als sich einfach nur an dem Ast festzuklammern, auf dem sie dann fast regungslos verharrten. Man durfte in so einer Situation nichts tun, was die Tiere zusätzlich aufregte. Aber immerhin waren sie so verängstigt, dass sie sich nicht auf noch schwächeres Geäst begaben.
    Auch Neldo kletterte mit Arvan und Lirandil den Stamm hinunter. Das war pure Höflichkeit gegenüber dem Gast, denn für ihn selbst wäre es einfacher gewesen, den Weg zurück zum Stamm von Baum zu Baum zurückzulegen. Aber dazu waren weder Lirandil noch Arvan in der Lage.
    Lirandil ließ den Blick über das grausige Schlachtfeld schweifen.
    » Ich mag gar nicht hinsehen«, sagte Arvan.
    » Das solltest du aber«, meinte Lirandil, » denn es wird nicht der letzte Ort dieser Art sein, den du zu sehen bekommst.«
    » Was haben all diese düsteren Andeutungen zu bedeuten, die Ihr schon die ganze Zeit über von Euch gebt?«, wollte Arvan wissen.
    » Das wirst du bald erfahren«, sagte Lirandil und seufzte schwer. » Schließlich bin ich hergekommen, um die schlimme Kunde zu verbreiten.«
    » Ihr macht einen ja richtig neugierig«, mischte sich Neldo ein. » Ist die Zukunft denn wirklich so finster, wie Ihr sie beschwört?«
    » Ich beschwöre nichts«, widersprach Lirandil mit ruhiger Stimme. » Ich bin auch kein Seher oder Schamane, der die Zukunft zu erkennen vermag. Allerdings habe ich als Fährtensucher gelernt, meine Sinne zu nutzen und genau auf meine Umgebung zu achten. Man braucht nichts weiter als Augen und Ohren, um zu erkennen, was geschieht, und allem, was geschieht, folgt das, was sich in der Zukunft ereignet. Es ist, als ob jemand einen großen Felsen an den Rand einer Klippe rollt und ihm dann den entscheidenden Stoß versetzt, der ihn in die Tiefe stürzen lässt. Man braucht keine besondere Gabe, um zu erkennen, dass der Stein auf den Boden prallen und jeden unter sich zermalmen wird, der einfältig genug ist, dort stehen zu bleiben und zu glauben, es würde schon nicht so schlimm werden.«
    » Ich unterbreche Euch ungern, weiser Lirandil«, sagte Neldo und wies mit ausgestreckter Hand auf einen mittelalten Halbling, der in einiger Entfernung stand. Da er noch keine grauen Haare hatte, musste er jünger als achtzig sein. » Ich weiß nicht, ob Ihr ihn wiedererkennt, aber das ist Kemli der Schlaue, dem Baum-Meister Gomlo im Kriegsfall den Befehl über unsere Krieger überträgt. Er wird Euch sicher begrüßen wollen.«
    » Kemli…?«, murmelte Lirandil sinnierend. » Da war einmal eine schwierige Geburt, bei der ich helfen musste, obwohl ich doch gar kein Heiler bin. Aber niemand wusste Rat, und vor allem kannte keiner die richtigen Kräuter. Der Junge, dem ich damals auf die Welt half, hieß auch Kemli.«
    » Das wird er wohl sein«, meinte Neldo. » Ein Name darf innerhalb des Stammes nur dann wieder vergeben werden, wenn sein bisheriger Träger verstorben ist.«
    Lirandil lächelte in sich hinein. » Ja, ich weiß, eine Regelung, die es außer im Stamm von Brado dem Flüchter wohl nirgends sonst in ganz Athranor gibt, wo man allerorts Söhne fleißig nach ihren Vätern und Großvätern benennt. Anscheinend wollte einer eurer Baum-Meister damit verhindern, dass es durch irgendwelche Namensdopplungen zu Fehlern in den Steuerlisten und Chroniken kommt.«
    Arvan legte die Linke auf den Griff von Beschützer. Er hatte das Schwert hinter den Gürtel gesteckt. Vielleicht würde ihm Brongelle eine passende Lederscheide dafür anfertigen. Er rechnete fest damit, denn im Allgemeinen konnte ihm seine Ziehmutter kaum einen Wunsch abschlagen. » Der arme Junge mit seinen groben, ungeschickten Händen«, hatte sie früher immer gesagt und ihm dann alle Feinarbeiten abgenommen, die ansonsten jeder Bewohner von Gomlos Baum problemlos selbst erledigen konnte.
    Plötzlich zischte etwas durch die Luft und schlug Arvan in den Rücken. Ein Armbrustbolzen. Einer der sterbenden Orks hatte es noch mit letzter Kraft geschafft, ihn abzuschießen.
    Werry der Zauderer, der auf dem Herdenbaum geblieben war, schoss augenblicklich von oben einen Schwarzen Stein mit seiner Schleuder ab, der den Kopf des Orks traf und seinem Leben endgültig ein Ende setzte.
    Arvan taumelte, doch Lirandil packte ihn mit kräftigem Griff,

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