Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)
Hornechse durch. Der Anführer des Orktrupps konnte sie nicht mehr bändigen, auch nicht durch einen Speerstich hinter den Knochenkamm am Hals, der zwar das Echsenblut hervorschießen ließ, aber von der riesigen Echse gar nicht mehr wahrgenommen wurde. Das Tier bäumte sich auf, und der Anführer flog in hohem Bogen davon. Noch im Flug durchbohrten ihn zwei auf ihn gezielte Schwarze Steine, während die Hornechse unter ihren Füßen mindestens ein Dutzend Orks zermalmte, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit hatten bringen können.
Jegliche Ordnung brach unter den Orks zusammen. Sie stoben davon, manche von ihnen geradewegs in die Schleudergeschosse der Halblinge hinein. Die meisten Schleuderer waren für die Orks nahezu unsichtbar, so gut hatten sie sich im Grün der Bäume verborgen.
Auf dem Herdenbaum war der Platz auf der Hauptastgabelung innerhalb kurzer Zeit mit Orkleichen übersät, und viele, die nicht von den Schleudergeschossen der Halblinge getroffen wurden, ereilte das Ende beim überhasteten Abstieg vom Baum, weil sie sich dabei zu Tode stürzten. Und die, die überlebten, wurden unten von der blindwütig tobenden Hornechse empfangen.
Diese blieb schließlich mit einem ihrer Hörner in dem Stamm eines der vergleichsweise kleineren Bäume stecken. Vergeblich versuchte sich die Kreatur zu befreien, doch sie blutete bereits aus zu vielen Wunden, und mit ihrem Blut verließ sie auch die Kraft. So sank sie schließlich unter dem gewaltigen Gewicht ihres eigenen Körpers zu Boden.
Armgroße Aasschnecken kamen aus ihren Verstecken, um mit ihrem Mahl zu beginnen.
Der Beschuss hörte auf, und ein Haufen Halblinge begab sich zu Lirandil, Neldo und Arvan. Einer von ihnen hatte rotes Haar.
» Borro«, riefen Arvan und Neldo wie aus einem Mund.
Borro hängte sich seine Schleuder zurück an den Gürtel. Ein Ersatzschleuderband trug er um die Stirn gebunden, so wie es bei Schleuderern in Kriegszeiten üblich war, doch es konnte seine rote Mähne kaum bändigen.
» Neldo! Arvan!«, freute sich Borro. » Ihr habt ja keine Ahnung, was los ist! Auf breiter Front sind Orks in die Wälder eingedrungen. Wir wären schon längst hier gewesen, wären wir nicht unterwegs in Gefechte verwickelt worden!« Borro klopfte Neldo auf die Schulter und wollte das bei Arvan wiederholen, doch der war einfach zu groß und Borros Halblingsarme zu kurz.
» Wir hatten nicht mehr viel Hoffnung«, gestand Arvan.
» Diesmal waren es wohl selbst für unseren großen Orkschlächter zu viele Gegner, was?«, spottete Borro.
Doch Arvan war nicht zum Spaßen zumute. Nicht nach dem, was er erlebt hatte, und bei all den Toten. Seine Knie fühlten sich weich, seine Muskeln kraftlos an, und er meinte, in jeder Faser seines Körpers Schmerzen zu spüren.
» Es hat auch Kämpfe bei Drasos Baum gegeben«, berichtete Borro. Die Bewohner von Drasos Wohnbaum gehörten ebenfalls zum Stamm von Brado dem Flüchter. Er stand nur wenige Meilen von Gomlos Baum entfernt, und doch war Arvan nur ein einziges Mal in seinem Leben dort gewesen, und das war schon Jahre her. Damals war er noch so klein gewesen, dass manche in ihm nicht einen Menschling erkannt, sondern ihn für einen Halbling mit krankhaft im Wachstum zurückgebliebenen Füßen gehalten hatten. Zu dieser Zeit hatte auf Drasos Baum die Wahl des Stammesmeisters stattgefunden, und Gomlo hatte seinen Ziehsohn Arvan wie selbstverständlich mitgebracht.
» Und?«, fragte Neldo. » Sind die Orks aus der Gegend um Drasos Baum vertrieben worden?«
» Sie haben sich nach kurzer Zeit zurückgezogen«, antwortete Borro. » Aber es hat viele Tote und noch mehr Verwundete gegeben. Zalea ist deswegen mit ihren Eltern dorthin unterwegs. Für die Heiler gibt es dort sehr viel zu tun«, sagte Borro mit betrübter Stimme, dann sah er Lirandil an. Bei all der Freude über das Wiedersehen hatte er von dem Elb bisher kaum Notiz genommen.
» Er ist es wirklich, Borro«, sagte Arvan.
» Der, von dem die alten Leute erzählen«, sagte Borro tief beeindruckt, » der weise Fährtensucher aus dem Volk der Elben, um dessen Abenteuer sich unzählige Lagerfeuergeschichten ranken, von denen allerdings sehr wahrscheinlich die Hälfte mit der Wahrheit nicht allzu viel…«
Neldo stieß Borro den Ellbogen in die Seite, woraufhin der rothaarige Halbling tatsächlich verstummte. Eine Selbstverständlichkeit war das bei Borro nicht. Vielleicht war es eher der ernste, durchdringende Blick der schräg gestellten Elbenaugen, der
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