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Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Der Sohn der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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hatte die Schwelle schon überschritten. Im Flur war überall Blut. Eine abgeschlagene Orkpranke samt der mit Obsidiansplittern besetzten Keule, die sie umklammert hielt, lag auf dem Boden.
    Arvan gelangte in einen Wohnraum. Der Geruch von Blut hing in der Luft, und der Raum war erfüllt vom Brummen der Fliegen. Die großen Baumfliegen wurden durch bestimmte Duftessenzen von Halblingbehausungen ferngehalten, damit sie sich nicht über die Vorräte hermachten, und so konnten sich ihre kleinen Verwandten jetzt umso mehr breitmachen. Überall waren sie. Denn überall befand sich Blut. Leichenteile lagen auf dem Boden verstreut. Vor allem Arme, Beine und Köpfe von Halblingen. Die dazugehörigen Torsi waren durch Axt- und Schwerthiebe so zerhackt worden, dass man sie nur noch durch die blutgetränkten Gürtel und Kleidungsstücke als solche erkennen konnte. Die Schädel waren durchweg gespalten und geöffnet worden. Die Orks hatten sie aufgeknackt wie die großen hartschaligen Nüsse des astlosen Baums und sich an der Hirnmasse gütlich getan.
    Schon dass die Orks so etwas bei Baumschafen taten, hatte Arvan immer schockiert. Aber das war nichts gegen das Grauen, das sich hier seinen Augen offenbarte. Selbst gegenüber den Kindern hatten die mordenden Scheusale keine Gnade gekannt. Die Verteidiger waren hoffnungslos unterlegen gewesen.
    Arvan fühlte sich einen Moment lang wie betäubt. Dass jemand seinen Namen rief, nahm er nur wie aus weiter Ferne wahr. Ein kratzendes, schabendes Geräusch ließ ihn jedoch erstarren. Dann drang etwas, das wie eine Mischung aus Saugen und Schmatzen klang, an sein Ohr.
    Arvan setzte sich wieder in Bewegung und durchschritt den Raum. Die Tür zum Nachbarraum stand halb offen. Arvan stieß sie mit dem Fuß zur Seite.
    » Arvan– Vorsicht!«, erklang hinter ihm Lirandils Stimme. Sie erschien ihm viel lauter und eindringlicher als sonst, und außerdem glaubte er, sie wie bei einem Echo zweimal mit geringer Verzögerung zu hören. Offenbar warnte ihn der Elb gleichzeitig mit einem sehr intensiven Gedanken.
    Aber es war zu spät. Arvan hatte bereits den angrenzenden Raum betreten. Es handelte sich um einen Schlafraum, in dem sich ihm ein ähnlich grausames Bild wie im Wohnraum zeigte. Keine der Halblingleichen war noch wiederzuerkennen.
    Am Boden kauerte ein Ork. Er war offensichtlich schwer verletzt. Blut rann aus unzähligen Wunden in seinem Körper. Das dunkle Rot vermischte sich mit dem Braun des getrockneten Schlamms, der den Ork von Kopf bis Fuß bedeckte. Blut und eine weißliche Masse troffen aber auch von seinen Hauern, und vor ihm lag ein abgetrennter und geöffneter Schädel, von dessen Hirn sich der Verletzte offenbar ernährt hatte.
    Arvans Blick begegnete dem des Orks. Wut keimte in ihm auf. Sie wurde zu einer überwältigenden roten Welle, die ihn vollkommen erfasste und jeden Winkel seiner Seele überflutete. Er stieß einen Schrei aus, fasste Beschützer mit beiden Händen und ließ die Klinge auf den Ork niedersausen.
    Dieser schleuderte im selben Moment einen Wurfdolch in Arvans Richtung, der in einem Futteral am Gelenk seiner mächtigen Pranke gesteckt hatte. Die Klinge klirrte gegen Arvans Schwert und wurde zur Seite hin abgelenkt. Zitternd blieb sie im Wurzelholz der Wand stecken.
    Das sichelförmige Schwert, mit dem der Ork Arvans ersten Hieb noch mühsam parierte, wurde ihm mit dem nächsten Streich aus der Pranke geprellt.
    Nicht, Arvan!
    Der Gedanke, der ihn daran zu hindern versuchte, seiner Wut ungehemmt nachzugeben, war sehr stark, aber es war nicht sein eigener. Und er kam zu spät.
    Die Klinge Beschützers trennte dem Ork, der es noch immer nicht geschafft hatte, auf die Beine zu gelangen, den Kopf ab, der über den Boden rollte, während ein weiterer Hieb tief in den schon nicht mehr lebenden Körper fuhr.
    Immer wieder schlug Arvan zu.
    » Hör auf!«, durchdrang ein strenger Befehl schließlich den roten Nebel des Hasses, der seine Gedanken vollkommen beherrschte.
    Arvan rang nach Luft. Das Schwert in beiden Händen stand er da. Es war nicht das erste Mal, dass Orkblut von dieser Waffe troff, und doch war es diesmal etwas anderes.
    Zwei Hände packten ihn an den Schultern. Arvan drehte sich um und sah in Lirandils Gesicht. Einen halben Kopf überragte ihn der hochgewachsene Elb, dessen Blick ihn zu durchbohren schien. Nie zuvor hatte jemand Arvan auf diese Weise angesehen. Er schluckte.
    » Lass dich nie wieder von deiner Wut beherrschen«, mahnte Lirandil

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