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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Mutter leise ein. »Es kann hier keine Harmonie und kein Gleichgewicht geben, ehe wir sie nicht zurückerhalten haben. Das Feenvolk verlangt es von uns.«
    »Was ist mit der Prophezeiung?«, fragte ich.
    »Sie soll verflucht sein«, fauchte Sean. »Haben wir je eine Spur dieses geheimnisvollen Wesens gesehen, das uns helfen soll? Weder aus Erin noch aus Britannien, sondern aus beiden Ländern, und mit dem Zeichen des Raben, was immer das bedeutet. Irgendjemand hat es vielleicht an einem bierseligen Abend erfunden. Nein, was wir brauchen, ist eine neue Herangehensweise. Wir müssen den Gedanken an einen direkten Angriff aufgeben. Wir müssen über die Vorstellung hinausdenken, dass wir nur mit überlegener Kraft oder mit den erprobten Strategien unserer Großväter siegen können. Wir müssen darauf vorbereitet sein, Risiken einzugehen und die Briten in ihrem eigenen Spiel zu schlagen. Ihre Position ist beinahe uneinnehmbar; lange Jahre des Scheiterns zeigen das leider nur zu deutlich. Um das Problem zu lösen, müssen wir darauf vorbereitet sein, das Undenkbare zu denken, das Unberührbare zu berühren.«
    »Niemals.« Liam war von tiefem Ernst erfüllt. »Du weißt nicht, wovon du redest. Es ist deine Jugend und Unerfahrenheit, die aus dir spricht. Ich habe dieses Argument schon häufiger gehört und finde es heute nicht nützlicher als damals. Diese Familie hat nie unehrenhafte Methoden eingesetzt, um einen Kampf zu gewinnen, und es beschämt mich, dass ein solcher Vorschlag ausgerechnet von dir, meinem Erben, kommt. Und wir sind in diesem Unternehmen nicht allein. Was ist mit unseren Verbündeten? Was ist mit Seamus Rotbart?«
    »Den könnte man überreden.« Mein Bruder hatte nicht die Spur eines Zweifels.
    »Das dürfte dir recht schwer fallen.«
    »Man könnte ihn überreden. Es gibt nichts Wichtigeres als die Wiedereroberung der Inseln. Und wir sind alle bereit, es zu tun, denn Fionn wird sich sicher unserer Allianz anschließen und …«
    »Was ist mit Eamonn? Seine Unterstützung wäre wesentlich. Er wird derselben Ansicht sein wie ich. Eamonn lässt sich nicht bewegen. Nichts auf der Welt könnte ihn dazu bringen, über einen solchen Vorschlag auch nur nachzudenken.«
    »Ich könnte ihn überzeugen.«
    »Eamonn?« Liam gab ein freudloses Lachen von sich. »Dann kennst du deinen Freund nicht so gut, wie ich dachte. In dieser Angelegenheit wird er sich nie von seinen Ansichten abbringen lassen. Niemals.«
    Langsam bekam ich wegen dieses Gesprächs ein sehr unangenehmes Gefühl. »Was genau hat Sean denn vorgeschlagen?«, zwang ich mich zu fragen, obwohl ich die Antwort fürchtete. Es hing ein Schatten am Rand meiner Gedanken, und ich wollte nicht, dass er näher kam.
    »Ich habe es mir folgendermaßen vorgestellt.« Sean kam zu meinem Stuhl und hockte sich neben mich. Seine Aufregung war groß; seine Energie schien die Luft zum Knistern zu bringen. Ich hielt meine Gedanken weiterhin unter scharfer Bewachung. »Man kann nicht im direkten Angriff gewinnen, ganz gleich, wie sehr man sich anstrengt. Das ist längst bewiesen. Zwei unserer Onkel sind beim letzten Versuch gefallen, und viele tapfere Männer mit ihnen. So viele, dass es uns beinahe eine Generation gekostet hat, uns zu erholen. Und dennoch, unsere Männer waren stark und diszipliniert, und ihre Verbündeten haben uns unterstützt; zwischen unseren Stellungen und denen der Nordmänner hatten die Briten keine Chance, eine eigene Basis an dieser Küste einzurichten. Warum haben wir versagt? Zunächst, weil sie den Vorteil haben, im Besitz der Inseln zu sein. Ihr Wachturm auf der Größeren Insel gibt ihnen einen weiten Ausblick. Es gibt nur einen sicheren Weg, sich zu nähern, und den können sie von dort aus hervorragend beobachten. Zweitens haben sie ein unübertroffenes Netz von Informanten. Wir alle wissen, wer das eingerichtet hat. Vielleicht ist es der Verrat seines Vaters, der Eamonn nun zu dieser unbeugsamen Haltung veranlasst. Ganz gleich, was wir auch planen mögen, die Briten scheinen es im Voraus zu wissen. Was lernen wir also daraus?« Er bewegte die schlanken Hände zur Unterstützung seiner Argumentation. »Wir lernen, dass es sinnlos ist, einem vorhersehbaren Kurs zu folgen. Wir lernen, dass es keine Geheimnisse vor unserem Feind gibt. Ganz gleich, wie stark unsere Verbündeten auf dem Wasser sind, unser Feind wird besser sein. Er ist im Vorteil. Niemand hier hat die Fähigkeiten und das Wissen, einen alternativen Zugang zur Größeren

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