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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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zurück.
    »Liadan.« Es schien sie große Willensanstrengung zu kosten, auch nur dieses einzige Wort auszusprechen.
    »Oh Niamh. Niamh, es ist so schön, dich wieder zu sehen!«
    Aber es war nicht schön. Es war überhaupt nicht schön. Ich sah in das leere Gesicht meiner Schwester und spürte, wie mir eiskalt wurde.

KAPITEL 8
    Irgendetwas war schrecklich falsch, und ich konnte nicht herausfinden, was. Niamh ging mir aus dem Weg. Sie weigerte sich zu reden, als wollte sie sich selbst nicht eingestehen, dass sie zu Hause war. Und dennoch, es fehlte ihrem Gesicht so an jedem Ausdruck des Willens, ihren Augen so an Seele, dass ich kaum glauben konnte, dass sie zu der Anstrengung fähig war, die dieses Leugnen brauchte. Selbst wenn die Männer sich um den großen Eichentisch versammelten und tief in ihre Strategien versunken waren, konnte ich Niamh nie allein finden. Häufig fand ich sie überhaupt nicht.
    »Niamh sieht nicht gut aus«, bemerkte Aisling mit einem kleinen Stirnrunzeln. »Ich frage mich, ob sie ein Kind erwartet.«
    Am dritten Abend ihres Besuchs bat ich Liam um einen Gefallen.
    »Onkel, du siehst, wie es Niamh geht. Sie ist erschöpft. Sie kann nicht weiter nach Tara reisen. Fionn sieht das doch sicher auch. Bitte ihn, ob sie bei uns bleiben kann, während ihr Männer weiterzieht.«
    Liam sah mich ernst an. »Sag mir, Nichte … warum sollte ich Niamh einen Gefallen tun?«
    »Du stellst mir solche Fragen? Siehst du denn nicht, was diese Ehe ihr angetan hat? Kannst du dich nicht erinnern, wie sie früher einmal gewesen ist?«
    »Das ist ungerecht, Liadan. Eine Frau muss der Entscheidung ihres Vaters gehorchen, und später den Wünschen ihres Mannes. Das ist nur richtig und natürlich. Fionn ist ein hoch geachteter Mann. Er ist ein Uí Néill. Niamh muss erwachsen werden und sich anpassen, wenn sie zu diesem Haushalt etwas beitragen will; sie muss die Vergangenheit hinter sich lassen.« Er klang, als versuchte er eher sich selbst zu überzeugen als mich.
    »Onkel. Bitte frag ihn.«
    »Also gut. Ich will nicht abstreiten, dass es eine gute Idee ist. Eamonn hat bereits vorgeschlagen, dass du und seine Schwester Aisling ihn ein paar Tage begleiten. Das wäre mir am liebsten. Du wärst in seinem Haus sicher und könntest Aisling Gesellschaft leisten, während ihr Bruder weg ist, und es macht die Heimreise für Niamh kürzer. Du hast Recht, sie sieht wirklich nicht gut aus.«
    Sean hatte den Verbündeten am zweiten Morgen seinen Plan vorgelegt. Sie waren diesmal in dem kleineren Zimmer. Als ich einen Arm voll Bettwäsche über den oberen Flur trug, hörte ich laute Stimmen, weniger zornig als in einer Mischung von Schrecken und Aufregung erhoben. Ich fing ein wenig von Seans Drängen und seinem leidenschaftlichen Bedürfnis, sie zu überzeugen, auf. Das Mittagessen wurde auf dem Tisch kalt, während sie weiter hinter verschlossenen Türen über das Thema redeten; als sie schließlich auftauchten, waren Fionn und Sean immer noch tief ins Gespräch versunken, und Eamonn war bleich und still und sah angestrengt aus. Intensive Diskussionen gingen weiter, während sie aßen und tranken. Sie waren gespalten. Fionn stand der Idee durchaus offen gegenüber, Seamus war hin- und hergerissen. Liam stand fest dagegen – er würde sich nicht mit den Fianna abgeben, er würde nicht mit gesichtslosen Söldnern verhandeln, er würde nichts unternehmen, über das er nicht selbst die Kontrolle hatte. Und alle hier wussten, dass niemand den Bemalten Mann beherrschen konnte. Er war Gesetz für sich selbst, wenn Gesetz das richtige Wort für einen so durch und durch Gesetzlosen sein konnte, und ihm zu trauen war, als steckte man den Kopf ins Maul eines Drachen. Reiner Wahnsinn. Außerdem, warf Seamus ein, wie sollte man auch nur damit beginnen? Dieser Gesetzlose kam und ging, wie es ihm passte; niemand wusste, wo sein Hauptquartier war. Er war schlüpfrig wie ein Aal. Wie konnte man ihm eine Botschaft übermitteln und ihn wissen lassen, dass man interessiert wäre? Sean erwiderte, es gäbe Möglichkeiten, ließ sich aber nicht näher darüber aus. Eamonn trug nur wenig zu der Unterredung bei. Als das Essen abgeräumt wurde, kehrte er nicht mit den anderen in das kleine Zimmer zurück, sondern ging allein nach draußen.
    Ich zwang mich, ihm zu folgen. Ich konnte nicht darauf warten, dass er mit mir sprach; ich würde ihm jetzt die schlechten Nachrichten übermitteln und der Sache ein Ende machen. Er sollte es so bald wie

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