Der Sohn der Schatten
dunkler, und ich schaute in ein paar graue Augen, die so fest waren wie ein Fels, vertrauenswürdige Augen. Ich hörte eine Stimme, und es war nicht Finbars Stimme, die sagte: Du musst nicht alles allein machen. Dann vergingen die Bilder so unmerklich, wie sie gekommen waren, und mein Geist fand zurück zu sich selbst. Ich öffnete die Augen und sah vor mir das ruhige Wasser des Teichs und die Gestalt meines Onkels, der über die spiegelnde Oberfläche ruhig zu mir hinschaute.
Ich hatte noch so viele Fragen, ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
»Du wirst lernen, dies zu tun, wie ich es tue. Es braucht Willensanstrengung. Du musst daran arbeiten, stärker zu sein als der andere, du musst stark genug sein, seine Gedanken mit deinen eigenen zu beugen.«
»Du glaubst, dass ich so etwas tun muss? Wann?«
»Ich weiß, dass es geschehen wird. Ich kann dir nicht sagen, wann. Du wirst es erkennen. Und jetzt, Liadan, was ist mit dem Kind?«
Plötzlich war ich von Angst erfüllt. »Es ist mein Kind«, sagte ich leidenschaftlich. »Ich werde die Entscheidung über seine Zukunft fällen. Es steht weder dem Feenvolk noch den Menschen zu, seinen Weg zu wählen.«
»Du sagst es. Es ist dein Kind. Und du willst auch den Mann, das habe ich in deinen Augen gesehen, als du nach seinem Bild gegriffen hast. Aber dieser Mann kann nicht gezähmt werden, Liadan. Du wirst ihn nicht in Sevenwaters behalten können. Und das Kind muss um unser aller willen dort bleiben. Das Kind könnte der Schlüssel sein. Das hat dir das Feenvolk zweifellos auch mitgeteilt. Hast du vielleicht einmal daran gedacht, dass du nicht beides haben kannst?«
»Das muss doch sicher nicht so sein«, sagte ich, denn mir gefiel überhaupt nicht, wohin diese Worte zielten.
»Dein Mann trägt das Zeichen des Raben.«
»Er ist ein Brite. Das glaube ich zumindest. Ich würde schwören, dass er keinen Tropfen irisches Blut in seinen Adern hat. Er kann nicht der sein, von dem die Prophezeiung spricht. Das ist alles nur ein Zufall.«
»Du hast sofort eine Antwort bereit.« Finbars Miene war ernst. »Es wird klar, dass du schon darüber nachgedacht hast – aber du hast Recht. Sein Gesicht hat das Rabenmuster, wild genug, um alle außer dem Entschlossensten abzuwehren. Und dennoch entspricht er nicht den Worten der Prophezeiung. Weder aus Britannien noch aus Erin, aber zur gleichen Zeit aus beiden. Dieser Mann entspricht der Prophezeiung nicht, aber sein Sohn wird es tun.«
Ich machte eine abwehrende Geste.
»Still, Liadan. Ich sage dir das nur, um dich zu warnen. Der Sohn trägt das Zeichen seines Vaters in seinem Blut und in seiner Haltung. Dem wirst du nicht entgehen. Dein Sohn wird der Sohn des Raben sein. Er wird die Linie sowohl von Vater als auch von Mutter weiterführen. Ein Brite und eine Frau aus Erin, die selbst Kind beider Völker ist. Es passt. Die Zeit ist gekommen. Sobald man erfährt, wer seine Eltern sind, werden das alle sagen.«
Mir war kalt bis in die Knochen.
»Willst du mir damit sagen, es wäre besser, dass niemand erfährt, wessen Kind er ist?«
»Das habe ich nicht gesagt. Es ist schrecklich, wenn ein Sohn seinen Vater nicht kennt. Wenn ein Vater seinem Sohn nie begegnet. Frage dich selbst, warum du bestimmte Geschichten erzählt hast, als du unter den Fianna weiltest. Ich versuche nicht, dich zu beeinflussen; ich weiß, dass ich das nicht tun darf. Du wirst deine eigene Wahl treffen, ebenso wie dieser Mann mit der Rabenmaske, der noch nicht weiß, dass er Vater wird, seine eigene Wahl treffen wird. Vielleicht wirst du weiterhin das Muster brechen. Aber es wäre weise, Schritte zu unternehmen, um das Kind zu schützen. Kräfte regen sich, die wir für verschwunden hielten. Es gibt einige, die nicht wollen, dass dieses Kind zum Mann heranwächst. Hier im Wald wird er sicher sein.«
»Woher weißt du so viel?«
»Ich weiß überhaupt nichts. Ich sage dir nur, was ich gesehen habe.«
Ich runzelte die Stirn. »Alle – du, Mutter, Conor, selbst die Herrin des Waldes – sprechen immer wieder über das alte Böse. Etwas, was zurückkehrt und bekämpft werden muss. Was ist das? Warum erklärt es mir niemand?«
Er sah mich mit so etwas wie Mitleid an. »Sie haben es dir noch nicht gesagt?«
»Was? Was gesagt?«
»Es steht mir nicht zu, es dir zu enthüllen. Conor hat uns zum Schweigen verpflichtet. Vielleicht wirst du es mit der Zeit wissen. Inzwischen zünde weiterhin deine Kerze an, Kind. Dein Mann ist weit weg. Er ist umgeben von
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