Der Sohn der Schatten
Schatten.«
»Ich bin stark«, sagte ich. »Stark genug, um ihn und mein Kind zu halten. Ich werde beide behalten. Ich werde sie nicht aufgeben.« Meine eigenen Worte überraschten mich; sie schienen unvernünftig zu sein, aber irgendwie wusste ich, dass sie der Wahrheit entsprachen.
Mein Onkel schwieg einen Augenblick, dann lachte er unerwarteterweise.
»Wie hätte ich je an dir zweifeln können?«, sagte Finbar mit einem Grinsen, das dem seines Bruders sehr ähnlich war und in dem umschatteten Gesicht vollkommen unglaubwürdig schien. »Du bist die Tochter deiner Mutter.«
Dann stand plötzlich und vollkommen lautlos Conor wieder neben mir und legte mir eine tröstende Hand auf die Schulter.
»Wir sollten gehen«, sagte er, und ich wusste nicht, ob er etwas davon gehört hatte, was zwischen mir und seinem Bruder vorgegangen war. »Dein Vater macht sich zweifellos schreckliche Sorgen.« Die Teichoberfläche vor uns war glatt wie Glas.
Geh jetzt nach Hause, Liadan. Ich werde hier sein, wenn du mich brauchst. Übe deine Fähigkeiten.
Ich nickte, wir drehten uns um und begaben uns unter den überhängenden Bäumen hindurch auf den langen Heimweg. Als wir schon beinahe den See erreicht hatten, fragte ich Conor: »Onkel? Weißt du, was aus dem jungen Druiden, aus Ciarán, geworden ist? Ist er zu den Nemetons zurückgekehrt?«
Er schwieg lange, und dann sagte er leise »Nein, Liadan. Er ist nicht zurückgekehrt.«
»Wohin ist er gegangen?«
Conor seufzte. »Auf eine lange Reise. Er hat einen sehr gefährlichen Pfad gewählt, um seine Vergangenheit zu finden. Er hat geschworen, nie zur Bruderschaft zurückzukehren. Es ist ein großer Verlust. Größer, als er weiß.«
»Onkel … hat es etwas mit diesem Bösen zu tun, von dem meine Mutter spricht, mit dem Schatten der Vergangenheit, der zurückgekehrt ist?«
Conor kniff die Lippen fest zusammen. Er antwortete nicht.
»Warum sagst du es mir nicht?«, fragte ich ihn gereizt und ein wenig verängstigt. »Warum sagt es mir niemand?«
»Es kann nicht ausgesprochen werden«, erklärte Conor ernst, und dann schwiegen wir wieder.
Es war dunkel, ehe wir den Rand des Waldes erreichten und über die Felder zum Haus gingen, wo Laternen vor der Haupttür hingen und Menschen geschäftig auf dem Hof unterwegs waren.
»Du bist müde«, stellte Conor fest, als wir den Kiesweg erreicht hatten. »Sogar ich bin ein wenig erschöpft. Aber wir werden heute Abend nicht früh ins Bett kommen. Ich würde sagen, es sieht so aus, als würden der Uí Néill und deine Schwester noch heute erwartet. Wirst du damit zurechtkommen?«
»Ich komme mit allem zurecht.«
»Das ist nicht unbemerkt geblieben.«
Wir betraten die große Halle. Conor hatte Recht gehabt, man erwartete meine Schwester noch vor dem Abendessen, und während unserer Abwesenheit waren andere Gäste eingetroffen, und das Haus war voller Licht und Gerede und Gerüche nach gutem Essen. Dort war Seamus Rotbart, der seinen großen Bauch vor dem Feuer wärmte, und seine junge Frau kicherte schüchtern, als er ihr etwas ins Ohr flüsterte. Sean und Aisling, Hand in Hand, strahlend vor Glück, wieder zusammen zu sein. Mein Vater, der Conor stirnrunzelnd ansah. Und Eamonn. Der bleiche Eamonn, der aufstand, als wir hereinkamen, und den Blick auf mich richtete, als hätte er genau auf diesen Augenblick gewartet. Ich floh nach oben, um mich umzuziehen. Nie hatte ich mich so danach gesehnt, mich unter der Decke zusammenzurollen und einfach einzuschlafen. In meinem Zimmer brannte ein Feuer, als hätte Janis gewusst, wann ich nach Hause kommen würde, und ein grünes Kleid lag auf dem Bett bereit. Ich zog meine alten Sachen aus und das neue Kleid an. Mein Bauch war nur ein klein wenig runder geworden. Man würde es noch nicht bemerken, wenn man nicht danach Ausschau hielt. Aber bald würden es alle wissen. Ich hakte das Kleid zu und spritzte mir Wasser aus der Schale, die bereitstand, ins Gesicht. Ich bückte mich zum Feuer und steckte einen Span in die Flammen, bis er brannte. Die Kerze war schon tief heruntergebrannt. Bald würde ich eine neue herstellen müssen. Ich entzündete den Docht, und der Geruch nach Kräutern erhob sich in die Abendluft. Die Kräuter der Liebe, Kräuter der Heilung. Halte aus, wo immer du sein magst. Halte aus.
Drunten gab es keine Möglichkeit, Eamonn aus dem Weg zu gehen. Bevor ich mich in ein Gespräch mit Aisling oder mit Seamus' junger Frau stürzen konnte, war er neben mir und nahm meinen Arm, um
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