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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Schon gut, lass ihn weitersprechen. Denn diese Geschichte war eine, die wir hier in Sevenwaters nicht hören wollten. Sie ging uns allen zu nahe. Ich stellte mir vor, dass dieser junge Mann wenig von unserer Vergangenheit wusste, sonst hätte er sich nicht dafür entschieden. Conor konnte sicher nicht geahnt haben, was er erzählen wollte, oder er hätte taktvoll etwas anderes vorgeschlagen. Aber Conor saß still neben seiner Schwester, und seine Gelassenheit schien ungetrübt.
    »Selbst ein Sohn der Túatha Dé Danann«, begann der junge Mann, »kann sich schrecklich verlieben. So erging es Aengus. Er war jung, kräftig, gut aussehend, ein erprobter Krieger, und man hätte nicht geglaubt, dass ihm so etwas leicht zustoßen würde. Aber eines Nachmittags, als er auf der Jagd war, überfiel ihn plötzlich eine tiefe Müdigkeit, und er streckte sich aus, um im Gras in dem Schatten zu schlafen, den ein paar Eiben spendeten. Er schlief sofort ein, und dann träumte er. Oh, wie er träumte! Und in seinem Traum war sie da: eine Frau, so schön, dass sie selbst die Sterne am Himmel verblassen ließ. Eine Frau, die einem das Herz zerriss. Er sah, wie sie barfuß an einem einsamen Strand entlangging, hoch gewachsen und mit gerader Haltung, ihre Brüste, wo sie sich über die dunklen Falten ihres Gewandes hoben, weiß wie Mondlicht auf Schnee, ihr Haar wie Buchenblätter im Herbst, vom hellen Rotgold polierten Kupfers. Er sah, wie sie sich bewegte, die süße Verlockung ihres Körpers, und als er aufwachte, wusste er, er musste sie haben oder er würde sterben.«
    Das hier wurde, wie ich dachte, viel zu persönlich erzählt. Aber als ich mich umsah, während der Geschichtenerzähler Atem holte, schien es, als wäre das nur mir aufgefallen. Mir und einer anderen. Sean stand neben Aisling nah dem Fenster, und es sah aus, als hörten sie ebenso gebannt zu wie ich, aber ich wusste, dass ihre Gedanken einander galten, dass jedes Bisschen von Bewusstsein auf die Art konzentriert war, wie seine Hand an ihrer Taille lag, wie ihre Finger sanft seinen Ärmel berührten. Iubdan beobachtete den jungen Druiden, aber sein Blick war abgelenkt; meine Mutter hatte den Kopf an seine Schulter gelegt und die Augen geschlossen. Conor sah ernst und gelassen aus, Liam kühl. Der Rest des Haushalts lauschte höflich. Nur meine Schwester Niamh war wie gebannt, hockte angespannt auf der Kante der Bank, mit tiefroten Wangen und blitzenden blauen Augen. Er hatte diese Worte für sie gewählt, daran bestand kein Zweifel – war ich denn die Einzige außer ihr, die das bemerkte? Es war beinahe, als hätte er die Macht, unsere Reaktionen mit seinen Worten zu bestimmen.
    »Auf diese Weise litt Aengus ein Jahr und einen Tag«, fuhr er fort. »Jede Nacht hatte er Visionen von ihr, manchmal erschien sie an seinem Bett, nur in dünnstes weißes Tuch gekleidet, und war so nah, dass er sie beinahe hätte berühren können. Er stellte sich vor, wenn sie sich über ihn beugte, dass er die Berührung ihres langen Haars auf seinem nackten Körper spürte. Aber wenn er die Hand ausstreckte, war sie sofort verschwunden. Er war zerfressen von Sehnsucht nach ihr, und er bekam ein Fieber, und sein Vater, der Dagda, fürchtete um sein Leben oder zumindest doch um seinen Verstand. Wer war sie? War diese Frau echt oder ein Geschöpf, das Aengus aus der Tiefe seines Geistes heraufbeschworen hatte und das er nie im Leben besitzen konnte?
    Aengus war dem Tode nah, sein Körper verbrannte, sein Herz klopfte wie eine Trommel, die zum Kampf ruft, seine Augen glühten vor Fieber. Also bat der Dagda den König von Munster um Hilfe. Sie suchten im Osten, im Westen und auf allen Straßen und Seitenstraßen von Erin, und schließlich erfuhren sie den Namen des Mädchens. Sie hieß Caer Ibormeith – Eibenbeere –, und sie war die Tochter eines gewissen Eathal, eines Herrn der Túatha Dé, die in der Provinz Connacht an einem Ort der Anderwelt lebten.
    Als man Aengus dies berichtete, erhob sich der junge Mann von seinem Krankenbett und machte sich auf, um sie zu finden. Nach einer langen Reise erreichte er einen Ort, den man Drachenmaul nennt, den See, an dessen abgelegenem Ufer er seine Geliebte zum ersten Mal erblickt hatte. Er wartete dort drei Tage und drei Nächte, aß und trank nicht, und endlich kam sie, ging barfuß am Strand entlang, wie er sie in seiner Vision gesehen hatte, ihr langes Haar wurde vom Seewind um sie herumgepeitscht wie Locken aus lebendigem Feuer. Seine

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