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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Beschreibung entspricht?«, fragte mein Vater amüsiert. »Du bist eine ungewöhnliche junge Frau, Tochter.«
    »Um ehrlich zu sein«, meinte ich trocken, »wenn er außerdem jung, gut aussehend und wohlhabend wäre, wüsste ich das zu schätzen. Aber solche Dinge sind weniger wichtig. Wenn ich das Glück hätte – wenn ich wirklich das Glück hätte, aus Liebe zu heiraten wie du … aber ich weiß, das ist unwahrscheinlich.« Ich dachte an meinen Bruder und an Aisling, die in einem verzauberten Kreis getanzt hatten, der nur ihnen gehörte. Es war zu viel, für mich das Gleiche zu erwarten.
    »So etwas bringt eine Zufriedenheit, die unvergleichlich ist«, sagte Iubdan leise. »Und außerdem Angst, die dich trifft, wenn du sie am wenigsten erwartest. Wenn du auf diese Weise liebst, lieferst du dem Schicksal Geiseln. Es wird mit der Zeit immer schwerer zu akzeptieren, was die Zukunft bringt. Bisher hatten wir Glück.«
    Ich nickte. Ich wusste, wovon er sprach. Es war eine Angelegenheit, über die wir nicht offen redeten – noch nicht.
    Wir standen auf und gingen langsam durch den Torbogen und den Weg zum Haupthof entlang. Weiter entfernt, im Schutz einer großen Weißdornhecke, saß meine Mutter auf einer niedrigen Steinmauer, eine schlanke, zierliche Gestalt, das bleiche Gesicht gerahmt von einer Masse dunkler Locken. Liam stand neben ihr, einen gestiefelten Fuß auf die Mauer gestützt, den Ellbogen auf dem Knie, und er erklärte mit sparsamen Gesten etwas. Auf ihrer anderen Seite saß Conor, sehr reglos in seinem weißen Gewand, und lauschte gebannt. Wir störten sie nicht.
    »Ich nehme an, wenn Eamonn zurückkehrt, wirst du herausfinden, ob ich Recht hatte«, sagte mein Vater. »Er wäre zweifellos eine angemessene Partie für deine Schwester oder auch für dich selbst. Du solltest in der Zwischenzeit zumindest einmal darüber nachdenken.«
    Ich antwortete nicht.
    »Bitte versteh, dass ich dich nie zu einer Entscheidung zwingen würde, Liadan, ebenso wenig wie deine Mutter. Wenn du einen Mann nimmst, wird es deine Wahl sein. Wir könnten nur darum bitten, dass du darüber nachdenkst und dich vorbereitest und alle Angebote in Betracht ziehst. Wir wissen, dass du eine kluge Wahl treffen wirst.«
    »Was ist mit Liam? Du weißt, was er sich wünscht. Wir müssen an unser Land denken und an die Macht und den Einfluss unserer Verbündeten.«
    »Du bist die Tochter deiner Mutter und meine, nicht Liams«, sagte mein Vater. »Er wird sich damit zufrieden geben, dass Sean sich für genau die Frau entschieden hat, die sich Liam am meisten für ihn wünschte. Du wirst deine eigene Wahl treffen können, Kleines.«
    In diesem Augenblick hatte ich ein ganz seltsames Gefühl. Es war, als flüsterte eine leise Stimme Diese Worte werden ihn noch verfolgen. Ein kaltes, dunkles Gefühl. Es war einen Augenblick später vorüber, und als ich Vater ansah, war seine Miene ruhig und gleichmütig. Was immer es gewesen war, er hatte es nicht bemerkt.
    ***
    Die Druiden blieben noch mehrere Tage in Sevenwaters. Conor unterhielt sich lange mit seiner Schwester und seinem Bruder, oder manchmal sah ich ihn mit meiner Mutter allein, und die beiden standen schweigend nebeneinander. Zu solchen Zeiten unterhielten sie sich lautlos in der Sprache des Geistes, und niemand wusste, was zwischen ihnen vorging. So hatte Mutter einmal mit Finbar gesprochen, dem Bruder, der ihrem Herzen am nächsten stand und der mit dem Flügel eines Schwans statt eines Arms aus den verzauberten Jahren zurückgekehrt war, und etwas hatte in seinem Geist nicht mehr gestimmt. Sie hatte dieselbe Verbindung zu ihm gehabt wie ich zu Sean. Ich wusste, ob mein Bruder Schmerz oder Freude empfand, ohne dass wir dazu Worte brauchten. Ich konnte ihn erreichen, ganz gleich, wie weit entfernt er war, und ihm Botschaften übermitteln, die niemand außer ihm je hören würde. Und so verstand ich, wie es für meine Mutter, für Sorcha, sein musste, einen Menschen verloren zu haben, der ihr so nahe stand, dass er beinahe ein Teil ihrer selbst war. Denn, so erklärte die Geschichte, Finbar konnte nie mehr ein Mensch werden, nicht ganz. Ein Teil von ihm war, als er zurückkam, immer noch wild, immer noch den Bedürfnissen und Instinkten von Geschöpfen des weiten Himmels und der endlosen Tiefe zugewandt. So war er eines Abends einfach zum Seeufer gegangen und hatte sich der kalten Umarmung des Wassers überlassen. Man hatte ihn nie gefunden, aber es bestand kein Zweifel daran, sagten die

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