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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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deine Kraft brauchen.«
    ***
    Es fing recht gut an. Nach einer schlaflosen Nacht weckte ich Niamh vor dem Morgengrauen, und wir zogen uns im Licht einer einzelnen Kerze an. Niamh bewegte sich quälend langsam, und ich musste das meiste für sie erledigen, ihr Kleid zuhaken, ihr das Haar kämmen, ihr den grauen Umhang um die Schulter legen und ihr sagen, sie müsse die Kapuze aufbehalten, sobald wir draußen waren, denn heute trug sie keinen Schleier, und die leuchtende Farbe ihres Haars musste verborgen bleiben. Ich zeigte ihr die Geheimtür und erklärte noch einmal, wohin sie führte. Meine Schwester nickte ernst und mit so etwas wie Verständnis in ihrem Blick.
    »Ich bin bereit«, sagte sie. »Und … danke, Liadan.«
    »Keine Ursache«, erwiderte ich ein wenig zitternd. »Dank mir und meinen … Freunden, wenn du sicher bei den heiligen Schwestern bist. Und jetzt …«
    In diesem Augenblick hörte ich Geräusche im Hof, und Fackeln flammten auf. Ich stieg leise auf einen Hocker und schaute aus dem schmalen Fenster. Reiter kamen durch den Haupteingang, Männer in Grün und Männer mit dem Zeichen der Uí Néill auf ihren Hemden, rot und weiß, die Schlange, die sich selbst verschlang. Es gab Hufschläge, Männerstimmen, das Geräusch von Riegeln, die zurückgeschoben wurden, als der Haushalt aufwachte. Ich entdeckte Eamonn, bleich und ernst wie immer, der vom Pferd sprang und begann, Befehle zu geben. Ich sah die aufrechte Gestalt von Fionn Uí Néill unter seinen Männern. Sie hatten offenbar nicht in Sevenwaters Halt gemacht. Sie waren direkt hierher gekommen, zwei Tage zu früh.
    Bran, war mein erster entsetzter Gedanke, als ich meine Schwester unter dem Wandteppich durch die schmale Öffnung schob. Bran ist hier, und Eamonn ist zurück. Wenn Eamonn ihn tötet, wird es meine Schuld sein. Ich malte mir die schlimmsten Dinge aus, als wir die steile Treppe hinuntergingen, ich direkt vor Niamh, und ich führte sie, als sie erschrocken jammerte: »Liadan! Liadan, ich glaube nicht, dass ich das kann! Es ist so dunkel hier und so eng!«
    »Sei still!«, zischte ich und packte ihre Hand fester. »Halte dein Versprechen, und tu, was ich dir sage.« Sie schien nicht zu begreifen, was dort im Hof geschah, und ich sagte es ihr nicht; sie war bereits so gut wie gelähmt vor Angst, und ihre Reise hatte kaum erst begonnen. Es war besser, dass sie nicht erfuhr, wie dicht ihr die Verfolger auf den Fersen sein würden.
    Wir waren sehr langsam. Komm schon, komm schon, Niamh. Schließlich erreichten wir das Ende der Treppe und gingen den kleinen Tunnel entlang.
    »Vorsichtig hier«, flüsterte ich. »Der Boden ist feucht. Nicht ausrutschen.« Mit einigem Glück würde so früh niemand nach uns sehen. Die Männer würden zuerst essen und sich ausruhen wollen. Es war vielleicht immer noch Zeit.
    Draußen war es still. Es waren keine Stimmen zu hören außer denen der Marschvögel, die den Tag begrüßten. Eine Decke von Nebel aus kränklichem Gelbgrün hing über dem Sumpf und berührte den steinigen Strand. Man hätte gedacht, selbst der Bemalte Mann könnte keinen Weg durch einen solchen Nebelschleier finden. Wir erreichten die sichere Stelle unterhalb der spitzen Steine. Hoch über uns gingen die Wachen stetig hin und her. Dann stieß Niamh einen leisen spitzen Schrei aus, und ich schlug ihr fest auf den Mund.
    »Still«, zischte ich. »Willst du, dass wir alle umgebracht werden? Diese Männer sind hier, um uns zu helfen.«
    »Oh … aber … aber …«
    »Sorg dafür, dass sie still ist.«
    Meine Schwester starrte entsetzt den Mann an, der gesprochen hatte, den Mann, der plötzlich vor uns aufragte mit seinem rasierten Kopf und der gemusterten Haut und dann den Mann hinter ihm, dessen Haut so schwarz war wie die Nacht und dessen weiße Zähne in einem wilden Grinsen entblößt wurden, als er mich nun mit einem Nicken grüßte. Niamh konnte sich offenbar nicht entscheiden, wen sie für erschreckender hielt.
    »Bran.« Ich zog ihn beiseite und sprach leise auf ihn ein. »Eamonn ist zurückgekehrt, gerade jetzt erst, zusammen mit dem Mann meiner Schwester. Es wimmelt von Bewaffneten.«
    »Ich weiß.«
    »Ihr solltet sofort aufbrechen und absolut vorsichtig sein. Eamonn hat geschworen, dich zu töten, und er würde es auf der Stelle tun. Bitte geht schnell.«
    Er sah mich an. »Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin es nicht wert. Außerdem hast du selbst genug Probleme.«
    »Ich sorge mich um dich. Warum kannst du nicht

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