Der Sohn der Schatten
gut«, sagte Eamonn. »Ich gehe voran; bleibt ihr hinter mir und haltet euch bereit, sofort zuzuschlagen. Sie haben keinen großen Vorsprung, und wir können sie einholen, bevor sie trockenes Land erreichen. Dass sie eine Frau dabei haben, wird sie verlangsamen. Pad, deine Aufgabe ist es, die Frau in Sicherheit zu bringen. Sobald du sie hast, drehst du dich um und lässt uns allein. Sei vorsichtig, sie könnte verängstigt sein. Con, du kümmerst dich um den Schwarzen. Der andere gehört mir.«
***
Es ist kein Wunder, dass Frauen den Ruf haben, geduldiger als Männer zu sein. Wir verbringen so viel von unserer Zeit mit Warten. Warten, dass ein Kind geboren wird. Warten, dass der Mann nach Hause kommt vom Feld, vom Meer, aus der Schlacht. Endloses Warten auf Nachrichten. Das kann das Schlimmste sein, da sich die Angst tief in die Eingeweide frisst und das Herz mit kalten Fingern umschlingt. Der Geist kann einem seltsame schreckliche Bilder vorgaukeln, während man wartet.
Aisling war ein freundliches Geschöpf, und das lernte ich im Lauf dieses langen Tages zu schätzen. Es war mir unmöglich, irgendetwas zu tun. Sie brachte mir Met und gewürztes Obst und bat mich, mich in einer bequemen abgeschiedenen Ecke an einem kleinen Eschenfeuer niederzulassen. Sie erklärte mir, wie Leid es ihr tat. Ich brauchte meine Angst nicht vorzutäuschen.
»Setz dich, Liadan«, drängte Aisling, und in ihren großen blauen Augen stand die Sorge. »Komm, setz dich zu mir. Ich bin sicher, dass Niamh unbeschadet nach Hause zurückkehren wird. Eamonn kennt diese Pfade wie seinen eigenen Handrücken. Er ist sehr fähig. Wenn irgendjemand sie finden kann, dann er.«
Sie wusste ja nicht, wie sehr mir ihre Worte die Hoffnung nahmen. »Ich kann nichts dagegen tun«, sagte ich. »Es ist so leicht, einen Fehler zu machen. Das sagen alle. Bei diesem Nebel, und wenn man versucht, sich schnell zu bewegen – sie könnten den Weg so leicht verlieren, Aisling. Wie lange wird es noch dauern, bis sie einen Boten schicken?« Meine Hände zitterten, und ich verschränkte die Finger fest.
»Es könnte eine Weile dauern«, sagte Aisling sanft. »Fionn hat seine Männer über die Straße auf dem Damm geschickt, um diesen Banditen von der anderen Seite den Weg abzuschneiden. Eamonn wird vorsichtig sein – auf diesem Weg darf er sich keine Fehler leisten. Aber ganz gleich, die Gesetzlosen sitzen in der Falle.«
Während wir warteten, ging Fionn auf und ab, grimmig und schweigend. Er hatte sich entschieden, hier in Sidhe Dubh zu bleiben und auf die ersten Nachrichten zu warten und nicht mit seinen Männern zu reiten. Nun verhielt er sich wie ein Tier im Käfig, mit zornglühenden Augen, die Hände zu Fäusten geballt. Ich fragte mich, ob er sich um seine Frau ängstigte, ob er sich so nach ihr sehnte wie ich mich nach Bran, oder ob er einfach nur wütend war, dass man etwas gestohlen hatte, das ihm gehörte, ganz gleich, mit welcher Verachtung er seinen Besitz zuvor behandelt hatte?
Mehr Zeit verging, und wir hörten immer noch nichts. Ich bemerkte, dass ich nicht mehr still sitzen konnte und bat, mich eine Weile in mein Schlafzimmer zurückziehen zu dürfen. Als ich an Fionn vorbeikam, legte er mir eine Hand auf die Schulter.
»Hab Mut«, sagte er leise. »Es kann noch alles gut werden.«
Ich warf ihm einen Blick zu, nickte und ging davon. Er sah nicht anders aus, als es sich für einen bekümmerten Mann gehört, der unruhig darauf wartete, zu erfahren, ob seine Frau lebte oder tot war. Wären nicht die blauen Flecken gewesen, die rasch verblassten, dann hätte es überhaupt keinen Beweis dafür gegeben, was Niamh ertragen hatte. Nichts als das Zeugnis ihres Geistes, aber das durfte ich niemandem mitteilen. Dana mochte uns helfen – was, wenn sie nicht entkamen? Was, wenn der Bemalte Mann doch nicht der Beste war und Eamonn ihn gefangen nahm? Das war undenkbar. Wenn dies geschehen sollte, hätte ich keine Wahl, ich müsste das Versprechen brechen, das ich meiner Schwester gegeben hatte, und die ganze Wahrheit erzählen.
Vertrauen. Das ist der Preis. Ich konnte Brans Stimme in meinem Kopf hören, als ich ins Schlafzimmer ging und die Tür hinter mir schloss. Es gab keinen Raum für Zweifel. Ich musste ihm vertrauen. Ich vertraute ihm. Aber wieso klopfte mein Herz immer noch so rasch, wieso war meine Haut verschwitzt und kalt, wieso fühlte ich mich so erschöpft, als hätte ich einen Teil meiner selbst verloren?
Ich lag eine Weile auf meinem
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