Der Sohn der Schatten
mein Schlafzimmer. Dort entzündete ich meine Kerze und wechselte die nassen Windeln meines Sohnes. Und als ich auf meinem Bett lag, das Kind an der Brust, ließ ich die Tränen gehen, die ich zurückgehalten hatte, und während die Kerze mit ihren Wirbeln und Spiralen vor dem Nachthimmel niederbrannte, sah ich wieder das Bild der beiden, umklammert im tödlichen Kampf; Eamonns Hände um Brans Hals, wie sie zupackten und die letzten Atemzüge aus ihm herausdrückten; Brans Messer zwischen Eamonns Rippen, das sich tiefer bohrte, während das Lebensblut rot über das grüne Hemd floss. Wie konnte ich glauben, dass Bran und ich eines Tages trotz alledem zusammenfinden könnten? Dass er je mehr sein könnte, als nur ein … ein Werkzeug, hatte das Feenvolk gesagt; ein vorbeiziehender Söldner, der zufällig ein Kind zeugte und dann aus der Geschichte verschwand, sein Anteil daran vorüber, seine Bedeutung beendet? Er konnte nicht zurückkehren. Mir nahe zu kommen, würde ihm den Tod bringen. Es wäre besser, wenn er mich nie gesehen hätte, denn ich brachte ihm nur Gefahr und Kummer. Und nun streckte sich der Schatten nicht nur über ihn aus, sondern auch über meinen Sohn. Das hatte ich in Eamonns Augen gesehen. Ich musste tun, was das Feenvolk von mir verlangte, und im Wald bleiben. Ich musste Bran aus meinem Geist verbannen. Um unserer aller willen musste ich das tun.
Ich weinte und weinte, bis mir der Kopf schmerzte und die Nase lief und mein Kissen nass war. Aber Johnny saugte weiter, seine kleine Hand strich mir über die Haut, sein Körper war warm und entspannt an meinem, ein Abbild des Vertrauens. Und als ich ihn beobachtete, wusste ich, dass es in jeder dunklen Nacht irgendwo ein kleines Licht gab, das nicht gelöscht werden konnte.
KAPITEL 12
Am Morgen war meine Mutter kaum mehr bei Bewusstsein. Die Familie versammelte sich an ihrem Bett; die Menschen des Haushalts und der Siedlung drängten sich in der Halle und der Küche und unterhielten sich leise. Keine Arbeit wurde getan, außer in Vorbereitung für ihren Abschied, und das geschah leise und draußen. Von Zeit zu Zeit verschwanden Liam oder Conor und Padraic eine Weile und kehrten später ebenso unauffällig zurück. Die Atmosphäre in der Kammer war ruhig. Ein kühler Westwind wehte durchs Fenster herein und brachte den Duft von Flieder mit sich. Ich hatte eine Schale auf den kleinen Tisch gestellt mit frischen Zweigen von Basilikum und Majoran, denn beide Kräuter haben die Fähigkeit, einem in kummervollen Zeiten Mut zu geben.
»Es ist ganz gut, dass sie in den letzten Schlaf fällt«, sagte Janis leise, als wir in der Tür aneinander vorbeikamen. »Der Schmerz wird immer schlimmer; es ist zu schwer, ihn schweigend zu ertragen. Und er«, sie nickte zu der reglosen Gestalt meines Vaters hin, der am Bett saß, »er spürt es mit ihr, jeden einzelnen Krampf. Es wird schwer für ihn werden.«
»Sie hat ihn gebeten, nach Harrowfield zurückzukehren. Zu seiner Familie zu gehen. Sie hat es ihn versprechen lassen.«
»Ja. Sie war immer ein kluges Mädchen, meine Sorcha. Sie weiß, dass er, wenn sie gegangen ist, ein Ziel braucht. Sie war sein Ziel, seit er seinen Fuß in dieses Haus gesetzt hat, vor langer, langer Zeit. Nie wird eine andere an ihre Stelle treten.« Sie warf mir einen scharfen Blick zu. »Hast du dir die Lippe aufgerissen, Mädchen? Tu lieber ein wenig Salbe drauf, Thymian ist gut, um es abschwellen zu lassen. Aber das brauche ich dir wohl nicht zu sagen.«
»Es ist nichts«, erwiderte ich und ging an ihr vorbei ins Zimmer.
Ich werde nicht viel über diese letzten Stunden sprechen. Meine Mutter war sich des größten Teils der Ereignisse nicht bewusst, denn sie hatte bereits einen Fuß auf ihren neuen Weg gesetzt. Also bemerkte sie nicht meines Vaters starre Miene, als könne er selbst jetzt nicht glauben, dass er sie wirklich verlieren würde. Sie hörte nicht, wie Conor leise am Fuß ihres Bettes rezitierte, sah nicht, wie Finbar schweigend aus dem Fenster starrte, sein Gesicht so weiß wie der Flügel, den er an der Stelle des linken Arms hatte. Sie sah nicht die Linien des Kummers auf Liams Zügen oder die Tränen in Padraics Augen. Janis kam und ging und ebenso die schlanke, dunkelhäutige Frau, Samara. Sie war so ruhig und anmutig wie ein Reh, und ihre Hände waren sanft, wenn sie mit Kissen, Decken und Tüchern half, Kerzen entzündete und Kräuter verstreute.
Sean saß meinem Vater gegenüber und hielt Mutters Hand in der
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