Der Sohn der Schatten
Liadan?«
»Es wäre vielleicht besser, ihnen nur dein Mitgefühl für ihren Verlust auszudrücken und es dabei zu belassen. Mein Vater ist sehr bedrückt, und meine Mutter ist schwach. Sie haben ihren Frieden mit Niamhs … Unfall geschlossen. Dies ist nicht der Zeitpunkt für Racheschwüre. Es ist kein Zeitpunkt für Zorn.«
»Jeder Zeitpunkt ist der richtige, bis ich diesen Abschaum vom Angesicht der Erde getilgt habe«, erklärte Eamonn erbost.
Ich wollte ihn nicht hören. Dunkle Visionen hingen über mir. War es möglich, dass er wusste, dass Johnny Brans Kind war? Aber woher? Ich wollte nicht von diesen gefährlichen Dingen sprechen, außerdem war es mitten in der Nacht, und ich war zu müde, um meine Gedanken oder Worte gut genug zu beherrschen. Aber ich wollte auch nicht schlafen, falls Mutter mich brauchte. Ich stand auf und setzte mich auf die Kissen vor der Feuerstelle. Hier konnte ich die Hand auf den kleinen Körper meines Sohnes legen und seine Wärme spüren. Hier konnte ich in die Flammen starren und träumen, denn es gibt Zeiten, in denen Träume sicherer sind als die wirkliche Welt.
Eamonn beobachtete mich. Ich spürte es, obwohl ich meinen Blick abgewandt hatte. »Ich wäre früher gekommen«, sagte er leise. »Um deine Eltern zu sehen und um mit dir zu sprechen. Ich war … weg. Eine sinnlose Suche, wie sich herausstellte. Dieser Mann ist schwer zu verfolgen, er ist schlau und entzieht sich immer wieder. Aber er wäre ein Narr, wenn er mich unterschätzte. Mein Netz von Informanten ist weit. Manchmal bringen sie mir verblüffende Nachrichten, verblüffend und … unerträglich.« Er starrte stirnrunzelnd das schlafende Kind an. »Ich werde diesen Gesetzlosen finden. Jeder hat eine Schwäche. Es ist einfach eine Frage, sie zu entdecken und sie zu benutzen, um ihn in die Falle zu locken. Ich werde ihn finden, und er wird bezahlen. Er wird blutige Wiedergutmachung leisten für das, was er gestohlen und zerstört hat. Daran solltest du keinen Zweifel haben.«
Ich schwieg und streichelte weiter den Rücken meines Sohnes und trank einen weiteren Schluck Wein. Als ich das letzte Mal müde gewesen war und Alkohol mit einem Mann getrunken hatte, hatte das weit reichende Folgen gehabt. Ich durfte nicht zeigen, dass ich Eamonns kaum verschleierte Andeutungen verstand.
»Es tut mir Leid, Liadan«, sagte er. »Ich bin nicht hergekommen, um von diesen Dingen zu sprechen.«
»Ich weiß das, Eamonn. Du bist hergekommen, um meiner Mutter deinen Respekt zu erweisen.«
Er schwieg einen Augenblick.
»Nicht genau. Ich hatte ohnehin vor, um diese Zeit vorbeizukommen. Es sind nur noch ein paar Tage bis Beltaine.«
Mein Herz wurde kalt. Ich schwieg.
»Du hast es doch sicher nicht vergessen?«
»Ich … nein, Eamonn, ich vergesse nicht so leicht. Ich hielt diese Angelegenheit nur für abgeschlossen, seit wir das letzte Mal davon gesprochen haben, bevor du nach Tara geritten bist. Es kann doch sicherlich zwischen uns über dieses Thema keine Zweifel mehr geben?«
Eamonn ging auf und ab, wie er es offenbar immer tat, wenn er versuchte, die richtigen Worte zu finden.
»War es das, was du dachtest? Du hast dir vorgestellt, ich würde alles hinter mir lassen und vielleicht verlobt mit einer Verwandten des Hochkönigs aus dem Süden zurückkehren? Du musst mich für sehr schwach halten, wenn du glaubst, dass ich so rasch aufgebe.«
Ich starrte zu ihm auf. »Ich weiß nicht, wie du das meinst«, sagte ich. Es klang so, als wollte er sagen … aber nein, das war unmöglich. Johnny seufzte leise und schlief weiter.
Eamonn hörte auf, auf und ab zu gehen, und kniete sich recht ungelenk neben mich. Eine Locke fiel ihm wieder in die Augen, und ich widerstand dem Bedürfnis, sie zurückzustreichen.
»Ich will keine andere Frau, Liadan. Ich will nur dich. Mit deinem Kind oder ohne es. Ich will keine andere.«
»Sage das nicht …«, begann ich.
»Nein«, erwiderte Eamonn entschlossen. »Hör mich an. Du bist hier geblieben, um deine Mutter zu pflegen, und das ist bewundernswert. Du hast dich entschlossen, dein Kind allein zu bekommen. Das hat Mut gezeigt. Du wirst die beste Mutter sein, da bin ich sicher. Warum du mit deinem Schweigen den Mann, der das Kind gezeugt hat, beschützt, kann ich nicht verstehen. Vielleicht ist es Schande, die deine Zunge lähmt. Aber das ist gleich. Er wird sich stellen müssen. Aber verzeih mir, ich höre, dass deine Mutter an Kraft verliert und ihr nur wenig Zeit in dieser Welt
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