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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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und daran wird sich nichts ändern. Ein Jahr ist gar nicht so lange.«
    »Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. In einem Jahr kann sich viel verändern.«
    »Geh jetzt«, sagte ich. »Aisling wartet sicher schon. Geh nach Hause. Kümmere dich um deinen Haushalt und um deine Leute. Ich werde am nächsten Beltaineabend immer noch hier sein. Geh nach Hause, Eamonn.«
    Ich dachte schon, er würde ohne ein weiteres Wort gehen, so lange schwieg er, die Arme verschränkt, den Kopf nachdenklich gesenkt. Dann sagte er: »Es wird erst ein Zuhause sein, wenn ich sehe, dass du dort in der Tür auf mich wartest, mit meinem Kind in deinen Armen. Erst dann.« Dann ging er durch den Torbogen davon und warf keinen Blick mehr zurück.

KAPITEL 3
    Ich dachte nicht mehr lange an Eamonns Werbung, denn bald schon überfielen die Ereignisse unseren Haushalt mit einer Geschwindigkeit, die uns beinahe überwältigte. Wir waren bereits unglücklich und gespalten durch Niamhs Unwillen, das Angebot ihres Bewerbers auch nur in Erwägung zu ziehen, und durch ihr vollkommenes Schweigen über die Gründe; ebenso wie durch Liams Zorn und die Unzufriedenheit meines Vaters, weil er nicht im Stande war, Frieden zwischen ihnen zu schließen. Meine Mutter war bedrückt, ihre Männer so uneins zu sehen. Sean vermisste Aisling und war bei der kleinsten Gelegenheit gereizt. An einem warmen Nachmittag nahe an Mitsommer ging ich verzweifelt allein in den Wald hinaus. Es gab eine Stelle, an der wir als Kinder oft gewesen waren, einen tiefen, abgeschiedenen Tümpel, umgeben von Farnen, der von einem plätschernden Wasserfall gespeist und vom sanften Schatten der Trauerweiden geschützt wurde. Wir drei hatten hier oft an heißen Sommertagen gespielt, waren geschwommen, hatten die Luft mit unserem Kreischen und Lachen und Platschen erfüllt. Nun waren wir selbstverständlich zu alt dazu. Männer und Frauen, wie Eamonn mich erinnert hatte. Zu alt, um Spaß zu haben. Aber ich erinnere mich an die süßen Kräuter, die nahe diesem Teich üppig und wild wuchsen, Petersilie, Kerbel und Unmengen Kresse, und ich dachte daran, einen kleinen Kuchen mit Eiern und Weichkäse zu backen, der vielleicht Mutters Appetit verlockte. Also nahm ich einen Korb mit, band mir das Haar zurück und machte mich auf in den Wald, froh, der angespannten Atmosphäre des Hauses entkommen zu können.
    Es war ein warmer Tag, und die Kräuter wucherten üppig. Ich pflückte und pflückte, summte leise vor mich hin, und bald war mein Korb voll. Ich setzte mich hin und lehnte mich gegen eine Weide. Überall im Wald waren leise Geräusche zu hören: das Rascheln von Eichhörnchen im Unterholz, das Lied einer Drossel, aber auch seltsamere Stimmen, leises Flüstern in der Luft, dessen Worte ich nicht begreifen konnte. Es mochte eine Botschaft darin liegen, aber wohl kaum für mich. Ich saß reglos da und glaubte, sie vielleicht sehen zu können: durchsichtige ätherische Gestalten, die zwischen den Zweigen hindurchflimmerten, einen Fetzen eines schwebenden Schleiers, einen Flügel, so durchscheinend und zerbrechlich wie der einer Libelle, Haar, das wie silberne und goldene Fäden aussah. Vielleicht eine schlanke Hand, die winkte. Und glockenhelles Lachen. Ich blinzelte und schaute wieder hin. Die Sonne musste mich wohl ganz durcheinander gemacht haben, denn nun war nichts mehr zu sehen. Ich musste zum Haus zurückkehren und meine Pastete backen und hoffen, dass sich meine Familie wieder miteinander anfreunden würde.
    Irgendetwas war dort. Dort, zwischen den Ebereschen, ein Aufblitzen dunklen Blaus, das so schnell verschwunden war, wie es erschien. Hatte ich Schritte auf dem weichen Waldweg gehört? Ich stand auf, den Korb am Arm, und folgte leise. Der Weg führte den Hügel abwärts auf den Tümpel zu, bog sich unter den Bäumen hindurch, an dichten Büschen vorbei. Ich sagte nichts. Ich war nicht sicher, ob ich nur das Spiel des Lichts auf den dunklen Blättern gesehen hatte oder mehr. Und ich hatte gelernt, mich lautlos durch die Wälder zu bewegen. Es war, wie Vater sagte, eine wichtige Fähigkeit, wenn man überleben wollte. Da war es wieder, direkt vor mir, hinter den Ebereschen, ein Hauch von Blau wie eine Tuchfalte und ein Aufblitzen von Weiß, eine schmale, zarte Hand. Diesmal war die Geste unmissverständlich. Hier entlang, winkte sie. Komm hierher. Leise folgte ich dem Weg. Niamh hat später nie geglaubt, dass ich nicht absichtlich dorthin gekommen war, um ihr Geheimnis zu erkunden. Ich

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