Der Sohn der Schatten
Aufwachen auf dem Kissen sehen möchte.«
Ich spürte, wie ich scharlachrot wurde, und mir fehlten die Worte.
»Es tut mir Leid, wenn ich dich beleidigt habe«, sagte er hastig, ließ aber meine Hand nicht los.
»Oh nein … überhaupt nicht«, gelang es mir zu sagen. »Ich bin nur … überrascht.«
»Ich habe mit deinem Vater gesprochen«, sagte er. »Er hat nichts dagegen, dass wir heiraten. Aber er sagte auch, dass die Entscheidung bei dir liegt. Er erlaubt dir große Freiheiten.«
»Du hast etwas dagegen?«
»Das hängt von deiner Antwort ab.«
Ich holte tief Luft und hoffte auf Inspiration. »Wenn das eine der alten Geschichten wäre«, sagte ich langsam, »würde ich dich bitten, drei Aufgaben zu erledigen oder drei Ungeheuer für mich zu töten. Aber es ist nicht notwendig, dich auf solche Weise zu prüfen. Mir ist klar, dass dies eine ausgesprochen … passende Verbindung wäre.«
Eamonn hatte meine Hand losgelassen und betrachtete den Boden zu meinen Füßen, wo er immer noch kniete.
»Ich höre unausgesprochene Worte«, meinte er stirnrunzelnd. »Einen Vorbehalt. Du solltest es mir lieber sagen.«
»Es kommt zu rasch«, meinte ich. »Ich bin nicht in der Lage, dir eine Antwort zu geben, noch nicht.«
»Warum nicht? Du bist sechzehn Jahre alt – eine Frau. Ich bin mir sicher, was ich will. Du weißt, was ich dir bieten kann. Warum kannst du nicht antworten?«
Ich holte tief Luft. »Du weißt, dass meine Mutter sehr krank ist. So krank, dass sie sich nicht erholen wird.«
Eamonn warf mir einen scharfen Blick zu, dann setzte er sich neben mich auf die Bank. Die Spannung zwischen uns ließ ein wenig nach.
»Ich habe gesehen, wie blass sie ist, und nicht gefragt«, sagte er sanft. »Ich wusste nicht, dass es so ernst ist. Es tut mir Leid, Liadan.«
»Wir sprechen nicht davon«, sagte ich. »Nicht viele wissen, dass wir jede Jahreszeit, jeden Mond zählen, jeden Tag, der vergeht. Aus diesem Grund kann ich mich weder dir noch einem anderen verpflichten.«
»Es gibt einen anderen?« Plötzlich klang er zornig.
»Nein, Eamonn«, sagte ich hastig. »Darum brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich bin mir bewusst, welches Glück ich habe, dass du um mich wirbst.«
»Du unterschätzt dich wie immer.« Wieder schwiegen wir. Eamonn starrte auf seine Hände und runzelte die Stirn.
»Wie lange werde ich auf eine Antwort warten müssen?«, fragte er schließlich.
Es war schwer zu antworten, denn dies bedeutete gleichzeitig, Sorchas Tage zu messen.
»Um meiner Mutter willen werde ich vor Beltaine im nächsten Jahr keine Entscheidung treffen«, sagte ich. »Ich denke, das ist lange genug. Dann werde ich dir antworten.«
»Es ist zu lange«, sagte er. »Wie kann ein Mann so lange warten?«
»Ich muss hier bleiben, Eamonn. Sie werden mich mehr und mehr brauchen. Außerdem weiß ich nicht, was ich tun soll. Es tut mir Leid, wenn dich das verletzt, aber ich werde deiner Ehrlichkeit nur die reine Wahrheit entgegnen.«
»Ein ganzes Jahr«, sagte er. »Du verlangst viel von mir.«
»Es ist eine lange Zeit. Aber ich will dich für diese vier Jahreszeiten nicht an mich binden. Du bist mir gegenüber zu nichts verpflichtet. Wenn du während dieser Zeit einer anderen begegnest, wenn du deine Ansicht änderst, bist du frei, dich zu binden, zu heiraten, zu tun, was immer du willst.«
»Das wird nicht geschehen«, erklärte er mit vollkommener Sicherheit und Endgültigkeit.
In diesem Augenblick spürte ich, wie ein Schatten auf mich fiel, und plötzlich war mir kalt. Ob es die Intensität seiner Stimme war oder sein Blick oder etwas ganz anderes, einen Augenblick lang wurde der friedliche sonnige Garten dunkel. Etwas in meiner Miene musste sich verändert haben.
»Was ist?«, fragte er unruhig. »Was ist los?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte ich ihm. »Mach dir keine Sorgen. Es ist nichts.«
»Ich muss gehen«, sagte er und stand auf. »Sie warten sicher schon auf mich. Ich wäre glücklicher, wenn wir zu einer … Übereinkunft gekommen wären. Vielleicht zu einer Verlobung. Wir könnten die Heirat verschieben, bis … bis du bereit bist. Oder … würde es Lady Sorcha nicht gefallen, dass du glücklich verheiratest wärst, bevor … würde sie nicht bei deiner Hochzeit anwesend sein wollen?«
»So einfach ist es nicht, Eamonn.« Plötzlich war ich schrecklich müde. »Ich kann keiner Verlobung zustimmen. Ich will keine Verpflichtung. Ich habe dir gesagt, wann ich antworten werde,
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