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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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uns zu unterhalten.« Ich brauchte nicht aufzublicken, um zu wissen, wer das gewesen war. »Das hier sind Männer, keine kleinen Kinder.«
    Interessant – wenn dieser Mann mit mir sprach, redete er in einfachem Irisch, ganz flüssig und beinahe ohne Akzent.
    »Ist Geschichtenerzählen gegen die Regeln?«, fragte ich leise.
    »Was ist mit diesem Kerl Bran?«, fragte Möwe mutig. »Ich wette, über ihn gibt es ein, zwei Geschichten. Ich würde gerne eine davon hören.«
    »Das ist eine sehr lange Geschichte, die viele Abende dauert«, sagte ich. »Ich werde nicht lange genug hier sein, um sie zu Ende zu erzählen. Aber es gibt viele andere.«
    »Komm schon, Hauptmann«, sagte Möwe. »Es kann doch nichts schaden.«
    »Warum fange ich nicht einfach an«, sagte ich, »und wenn du der Meinung bist, dass meine Worte gefährlich sind, kannst du mich immer noch aufhalten? Das wäre nur gerecht.«
    »Ach ja?«
    Nun, er hatte nicht Nein gesagt, und die seltsame Bande, die sich ums Feuer versammelt hatte, wirkte erwartungsvoll. Also fing ich an.
    »Eine Truppe von Kriegern wie ihr«, sagte ich, »sollte vielleicht am besten die Geschichte des größten aller Krieger, Cú Chulainn, des Helden von Ulster, hören. Auch seine Geschichte ist lang und besteht aus vielen einzelnen Geschichten. Aber ich werde euch erzählen, wie er lernte zu kämpfen und so gut ausgebildet wurde, dass kein Mann auf dem Feld gegen ihn bestehen konnte, und sei es der größte Kriegsheld seines Stammes. Ihr müsst verstehen, dass dieser Cú Chulainn kein gewöhnlicher Mann war. Es gab Gerüchte, und vielleicht lag einige Wahrheit darin. Es hieß, er sei ein Kind von Lugh, dem Sonnengott, und einer sterblichen Frau. Niemand war sich so recht sicher, aber eines war klar: Wenn Cú Chulainn vor einem Kampf stand, veränderte er sich. Sie nannten es Riastradh, die Kampfeswut. Sein ganzer Körper zitterte und begann zu glühen, sein Gesicht wurde rot wie Feuer, sein Herz klopfte wie eine gewaltige Trommel in seiner Brust, die Haare standen ihm ab und sprühten Funken. Es war, als würde ihn tatsächlich sein Vater, der Sonnengott, zu solchen Zeiten inspirieren, denn seinen Feinden kam es so vor, als umspielte ihn ein wildes, schreckliches Licht, wenn er sich ihnen näherte, das Schwert in der Hand. Und nachdem er den Kampf gewonnen hatte, brauchte es, so sagen die Leute, drei Fässer eisigen Flusswassers, um ihn wieder abzukühlen. Wenn sie ihn in das Erste steckten, brachen die Reifen und das Fass fiel auseinander. Das Wasser im Zweiten kochte über, das Dritte dampfte und dampfte, bis die Hitze ihn verlassen hatte und Cú Chulainn wieder er selbst war.
    Dieser große Krieger hatte schon als Junge ungewöhnliche Fähigkeiten. Er konnte springen wie ein Lachs und schwimmen wie ein Otter. Er konnte schneller laufen als ein Hirsch und im Dunkeln sehen wie eine Katze. Aber dann kam eine Zeit, in der er versuchte, seine Kunst noch zu vervollkommnen mit dem Ziel, eine schöne Dame namens Emer zu gewinnen. Als er Emers Vater um ihre Hand bat, meinte der alte Mann, Cú Chulainn habe sich als Krieger noch nicht genug bewiesen und solle sich weiterhin von den Besten ausbilden lassen. Was die Dame anging, sie hätte ihn auf der Stelle genommen, denn wer hätte einem solchen Ausbund an Männlichkeit widerstehen können? Aber sie war ein braves Mädchen und folgte ihrem Vater. Also hörte sich Cú Chulainn überall um, und schließlich erfuhr er, dass der beste Lehrer der Kriegskunst eine Frau war, Scáthach, ein seltsames Geschöpf, das auf einer winzigen Insel an der Küste von Alba lebte.«
    »Eine Frau?«, wiederholte jemand verächtlich. »Wie soll das möglich sein?«
    »Nun, wie unser Held schon bald herausfand, war es keine gewöhnliche Frau. Als er an den wilden Strand von Alba kam und über das tosende Wasser zur Insel hinüberschaute, wo sie mit ihren Kriegerinnen lebte, begriff er, dass es Schwierigkeiten geben konnte, bevor er auch nur einen Fuß auf die Insel setzte. Denn der einzige Weg dorthin führte über eine hohe schmale Brücke, die gerade so eben breit genug für einen einzigen Menschen war. Und sobald man seinen Fuß auf die Brücke setzte, begann sie zu beben und sich zu biegen und auf und ab zu hüpfen, und das über ihre ganze beträchtliche Länge, so dass jeder, der dumm genug gewesen wäre weiterzugehen, auf der Stelle auf nadelspitze Felsen oder in die tosende Brandung geworfen worden wäre.«
    »Warum hat er kein Boot genommen?«, fragte

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