Der Sohn der Schatten
Spinne verblüfft.
»Hast du nicht gehört, was Liadan gesagt hat?«, erwiderte Möwe verächtlich. »Tosendes Wasser? Nadelspitze Felsen? Kein Boot hätte dieses Meer überqueren können, würde ich wetten.«
»In der Tat«, sagte ich und lächelte ihn an. »Viele hatten es versucht, und alle waren umgekommen, verschlungen vom Meer oder den riesigen spitzzähnigen Geschöpfen, die dort lebten. Nun, was sollte Cú Chulainn tun? Er war nicht die Art Mann, der aufgab, und er begehrte Emer mit einer Sehnsucht, die jede Faser seines Körpers durchdrang. Er maß die Entfernung über die Brücke mit scharfem Auge, dann holte er tief Luft, atmete wieder aus, holte wieder tief Luft und ließ sich vom Riastradh überwältigen, bis sein Herz ihm beinahe aus der Brust gesprungen wäre und jede Ader seiner Haut schwoll und vorstand wie ein fest gespanntes Seil. Dann sammelte sich Cú Chulainn und machte einen gewaltigen Sprung wie ein Lachs einen großen Wasserfall hinauf, und er landete leichtfüßig genau in der Mitte der bebenden Brücke, fein säuberlich auf den Ballen seines linken Fußes. Die Brücke bockte und hüpfte und versuchte, ihn abzuwerfen, aber er war zu schnell und sprang abermals, und so weit, dass er mit dem nächsten Schritt das Ufer von Scáthachs Insel erreichte.
Oben auf den Zinnen von Scáthachs Haus, das ein befestigter Turm aus Granit war, stand die Kriegerin mit ihrer Tochter und sah zu.
›Tüchtiger Bursche‹, murmelte sie. ›Er kennt schon ein paar Tricks. Ich könnte ihm noch mehr beibringen.‹
›Ich hätte nichts dagegen, ihm selbst ein wenig beizubringen‹, sagte die Tochter, die etwas ganz anderes im Sinn hatte.«
Lachen erklang. Diese Männer waren vielleicht nicht an Geschichten gewöhnt, aber sie schienen durchaus Gefallen daran zu finden. Was mich angeht, so erwärmte ich mich langsam für meine Tätigkeit und fragte mich flüchtig, was Niamh wohl sagen würde, wenn sie mich jetzt sehen könnte. Ich erzählte weiter.
»›Also gut‹, sagte die Mutter, ›wenn du ihn haben willst, nimm ihn dir. Drei Tage kannst du ihn haben, um ihm die Kunst der Liebe beizubringen, dann gehört er mir.‹
So war es also Scáthachs Tochter, die zum Ufer ging, um den Helden zu begrüßen. Und tatsächlich hieß sie ihn derart willkommen, dass es nach drei Tagen nicht viel gab, was er nicht von den Bedürfnissen einer Frau wusste und davon, sie zu erfreuen. Glückliche Emer! Dann war die Mutter dran, und als der Unterricht begann, begriff Cú Chulainn bald, dass Scáthach tatsächlich die beste Lehrerin war.
Sie unterrichtete ihn ein Jahr und einen Tag, und von ihr lernte er seinen Kampfsprung, mit dem er hoch über einen Speer springen konnte, der von seinem Gegner geworfen wurde. Er lernte, einen Mann mit raschen Schwertstreichen zu rasieren, eine Fähigkeit von vielleicht wenig praktischem Nutzen, die aber half, einen Feind gewaltig zu erschrecken.«
Hund fuhr sich unruhig über die kahle Seite seines Schädels.
»Cú Chulainn konnte den Boden unter den Füßen eines Feindes wegschneiden, denn sein Schwert bewegte sich so rasch, dass man es kaum mehr sehen konnte. Er konnte einfach auf den Schild seines Gegners springen. Er lernte, einen Streitwagen mit Sensenblättern an den Rädern zu fahren, so dass seine Gegner nicht wussten, wie ihnen geschah, bis sie sterbend auf dem Schlachtfeld lagen. Er lernte auch zu jonglieren, was er ebenso gut mit scharfen Messern und brennenden Fackeln tun konnte wie mit den ledernen Jonglierbällen. Während er auf der Insel war, legte sich Cú Chulainn mit einer Kriegerin namens Aoife nieder, und sie gebar ihm einen Sohn, Conlai, und damit beginnt eine andere Geschichte, eine sehr traurige Geschichte. Aber Cú Chulainn selbst kehrte nach Hause zurück, nach Jahr und Tag, und bat wieder um die Hand der schönen Emer.«
»Und?«, drängte Möwe ungeduldig, als ich innehielt. Es war spät. Das Feuer war beinahe niedergebrannt, und ein Netz von Sternen breitete sich über den Himmel. Der Mond war im Abnehmen begriffen.
»Nun, Fogall, Emers Vater, hatte nie erwartet, dass der junge Mann zurückkehren würde. Er hatte gehofft, dass Scáthach ihn umbringen würde, wenn es die Brücke über das Meer schon nicht tat. So begegnete er Cú Chulainn mit bewaffnetem Widerstand. Aber Cú Chulainn hatte nicht umsonst bei den Besten der Welt gelernt. Mit seiner kleinen Kriegertruppe, von denen jeder sorgfältig ausgewählt war, besiegte er Fogalls Armee ohne große
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