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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Anstrengung. Fogall selbst verfolgte er bis zum Rand der Klippen, und dort kämpften sie Mann gegen Mann. Bald schon stürzte Fogall auf die Steine tief drunten. Dann nahm Cú Chulainn die schöne Emer zur Frau, und sie hatten noch viel Freude miteinander.«
    »Ich wette, er hat ihr das eine oder andere beigebracht«, meinte einer leise.
    »Das reicht.« Bran trat in den Kreis, und beim Klang seiner Stimme wurden die Männer sofort still. »Die Geschichte ist zu Ende. Die Männer auf Wachablösung verschwinden jetzt. Die anderen gehen schlafen. Erwartet nicht noch eine Vorstellung.«
    Sie gingen ohne ein weiteres Wort. Ich fragte mich, wie es sich wohl anfühlte, solche Angst vor einem Mann zu haben, dass man seine Befehle nie in Frage stellte. Ein derartiges Leben konnte wohl kaum zufrieden stellend sein.
    »Du gehst wieder an die Arbeit.«
    Ich brauchte einen Augenblick, bevor ich begriff, dass Bran mit mir sprach.
    »Was soll ich dazu sagen? ›Jawohl, Hauptmann‹?« Ich stand auf. Hund war direkt hinter mir, ein ständiger Schatten.
    »Wie wäre es damit, einfach den Mund zu halten und zu tun, was ich dir sage? Das würde es uns allen leichter machen.«
    Ich warf ihm einen ablehnenden Blick zu. »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig«, sagte ich. »Ich mache die Arbeit, für die ich hier bin. Das ist alles. Ich lasse mich nicht herumscheuchen wie deine Männer. Wenn sie sich entschieden haben, dir wie verängstigte Sklaven zu folgen, ist das ihre Angelegenheit. Aber ich kann nicht arbeiten, wenn ich Angst habe und ständig behindert werde. Und du hast selbst gesagt, man müsse gut vorbereitet sein, um seine Arbeit gut erledigen zu können. Zumindest erinnere ich mich an etwas in dieser Richtung.«
    Eine Weile sagte er kein Wort. Etwas hatte ihn zweifellos getroffen, obwohl in diesem seltsamen Gesicht wie Sommer und Winter kaum ein Muskel zuckte.
    »Es würde auch helfen, wenn du meinen Namen benutzt«, erklärte ich ernst. »Ich heiße Liadan.«
    »Diese Geschichten«, meinte Bran zerstreut, als konzentrierte er sich auf etwas ganz anderes. »Sie sind gefährlich. Sie bringen die Männer dazu, von etwas zu träumen, was sie nicht haben können. Oder was niemals sein kann. Sie bringen Menschen dazu, in Frage zu stellen, wer sie sind und was sie vielleicht erreichen können. Für meine Männer gibt es keine solchen Geschichten.«
    Einen Augenblick lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte.
    »Ach, komm schon, Hauptmann«, widersprach Hund unklugerweise. »Was ist denn gegen Cú Chulainn und seinen Sohn Conlai zu sagen? Eine sehr traurige Geschichte, hat sie gesagt. Was hast du gegen Meerjungfrauen und Ungeheuer und Riesen?«
    »Du redest wie ein Kind«, meinte Bran wegwerfend. »Das hier ist eine Truppe abgehärteter Männer, und wir haben für solchen banalen Unsinn keine Zeit.«
    »Vielleicht solltet ihr Zeit dafür finden«, meinte ich entschlossen, ihm etwas deutlich zu machen. »Wenn ihr siegen wollt, was wäre da besser, um deine Männer zu inspirieren, als eine Heldengeschichte, eine Geschichte von einem Kampf, der vollkommen ungleich beginnt, aber durch Kunstfertigkeit und Mut gewonnen wird? Wenn deine Männer müde und niedergeschlagen sind, was wäre besser, um sie aufzuheitern, als eine alberne Geschichte – zum Beispiel die von dem kleinen Mann Iubdan und dem Teller Haferbrei oder die von dem Bauern, der drei Wünsche hat und sie alle verdirbt? Was wäre besser, ihnen Hoffnung zu geben, als eine Liebesgeschichte?«
    »Du begibst dich in Gefahr, wenn du von Liebe sprichst. Bist du so unschuldig oder so dumm, dass du dir nicht vorstellen kannst, was für eine Wirkung solche Worte in der Gesellschaft von Männern haben? Oder vielleicht ist es das, was du willst. Du könntest deine Wahl haben. Ein neuer Mann jede Nacht. Vielleicht auch zwei.«
    Ich spürte, wie ich blass wurde.
    »Du zeigst, was für ein Mann du bist, wenn du mich so beleidigst«, sagte ich sehr leise.
    »Und was für eine Art Mann ist das?«
    »Ein Mann, der kein Gefühl für Recht und Unrecht hat. Ein Mann, der selbst nicht lachen kann und der es anderen aus Angst verbietet. Ein … ein Mann, der keinen Respekt vor Frauen hat. Es gibt welche, die schreckliche Rache nehmen würden, wenn sie hören könnten, wie du mit mir sprichst.«
    Er schwieg.
    »Und worauf stützt du dieses Urteil?«, fragte er schließlich. »Du hast nur sehr kurze Zeit in meiner Gesellschaft verbracht. Und du hältst mich bereits für eine Art Ungeheuer. Du

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