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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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ziehst wahrhaftig rasche Schlüsse über das Wesen eines Mannes!«
    »Ebenso wie du über eine Frau«, erwiderte ich direkt.
    »Ich brauche dich nicht zu kennen, um zu erkennen, was du bist«, meinte er barsch. »Die von deiner Art sind alle gleich. Ihr fangt einen Mann in eurem Netz, zieht ihn an euch, nehmt ihm seinen Willen und seine Urteilskraft. Es geschieht so unmerklich, dass er für immer verloren ist, bevor er die Gefahr erkennt. Dann werden andere mit hineingezogen, und das Muster von Dunkelheit erstreckt sich weiter und weiter, so dass selbst die Unschuldigen nicht mehr entkommen können.« Er hielt abrupt inne, und es wurde deutlich, dass er seine Worte bedauerte.
    »Du«, sagte er zu Hund, der mit offenem Mund gelauscht hatte. »Bring sie zurück zu ihrem Schutzbefohlenen, und dann leg dich schlafen. Möwe wird heute Nacht Wache stehen.«
    »Ich könnte es tun, Hauptmann. Ich kann eine weitere Wache …«
    »Möwe wird es tun.«
    »Jawohl, Hauptmann.«
    ***
    Das war der zweite Tag. Der Schmied Evan hielt durch, obwohl ich nicht froh darüber war, wie er zitterte und schauderte und sein Fieber nicht nachließ, ganz gleich, wie oft ich ihn mit kaltem Wasser abrieb. Ein gewisser Wettbewerb entwickelte sich unter meinen drei Helfern. Alle waren begierig, bei der Pflege zu helfen, und obwohl sie ungeschickt waren, nützte mir ihre Kraft beim Heben und Umdrehen des Patienten. Brans Männer schienen immer etwas zu tun zu haben, übten sich im Kampf, kümmerten sich um Pferde und Geschirr, säuberten und schärften ihre Waffen. Eamonn hatte zumindest damit Unrecht gehabt – sie benutzten die geläufigeren Waffen wie Schwerter, Speere, Bögen und Dolche ebenso wie eine größere Menge anderer Geräte, deren Namen und Funktion ich nicht kannte und nicht kennen wollte. Das Lager war gut durchorganisiert. Ich war verblüfft, am nächsten Morgen mein Kleid und mein Hemd ordentlich zusammengefaltet auf den Steinen neben dem Unterschlupf zu finden, gewaschen und getrocknet und beinahe so gut wie neu. Es gab auch zumindest einen fähigen Koch hier und keinen Mangel an guten Jägern, um ständig für frisches Fleisch für den Topf zu sorgen. Wo die Möhren und Rüben herkamen, fragte ich lieber nicht.
    Die Zeit war knapp. Sechs Tage, bevor sie weiterzogen. Der Schmied hatte Schmerzen und brauchte die schmerzlindernden Kräuter. Dennoch, wenn er ohne mich zurechtkommen wollte, musste er die Wahrheit wissen. Es gab Zeiten, an denen er die Stelle ansah, wo einmal sein starker Arm mit seiner Schulter verbunden gewesen war. Aber in seinen fiebrigen Augen stand kein wirkliches Erkennen, wenn ich mit ihm darüber sprach, was geschehen war und wie es weitergehen sollte.
    Am dritten Tag ging ich, dicht gefolgt von Schlange, durch das Lager. Meine geliehenen Kleider mussten gewaschen werden, denn nun waren sie fleckig vom Blut meines Patienten und hier und da von den Flüssigkeiten, die er nicht länger im Magen behalten konnte, bis man bis zehn zählte, bevor er sie wieder herauswürgte.
    Als wir das Bachufer erreichten, trafen wir dort den großen dünnen Mann Spinne und einen anderen, den sie Otter nannten. Sie rangen im Gras. Otter war kurz davor, zu gewinnen, denn bei diesem Sport gibt einem Körpergröße wenig Vorteile, wenn der Gegner rasch und klug ist. Es gab ein lautes Klatschen, und dann lag Spinne im Wasser und schaute sehr überrascht drein. Otter wischte sich die Hände an der Lederhose ab. Sein Oberkörper war nackt, und er hatte ein kompliziertes Muster auf der Brust, wie viele Kettenglieder, die einen gewundenen Kreis bilden.
    »Morgen, Schlange. Morgen, Liadan. Hier, du Dummkopf. Steh auf. Du musst ein bisschen mehr üben.« Otter streckte die Hand aus und zog den verlegenen Spinne aus dem Wasser.
    »Dummköpfe«, meinte Schlange freundlich. »Lasst euch dabei nicht vom Hauptmann erwischen.«
    Ich rollte mein Bündel aus und begann, das fleckige Tuch auf den glatten Steinen an der seichten Stelle zu reiben.
    »Ihr solltet lieber ins Lager zurückgehen oder wo immer ihr jetzt hingehört«, fuhr Schlange fort. »Der Hauptmann wird nicht glücklich sein, wenn er sieht, dass ihr mit der Dame hier redet.«
    »Und du?«, murmelte Spinne, dem es zweifellos nicht passte, triefend nass und besiegt dazustehen. »Wie ist es dir denn gelungen, ihr Wachtposten zu sein?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Warum habt ihr alle solche Angst vor ihm?«, fragte ich und hielt mit meiner Arbeit inne, um zu den Dreien aufzublicken.

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