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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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damit allein zurechtgekommen? Ist es das? Die kleine Heilerin und Wundertäterin. Du hast dir doch wohl nicht eingebildet, dass wir dich hier allein lassen? Oder?«
    Ich sah ihn nicht an, sondern konzentrierte mich stattdessen auf den Eintopf, der erstaunlich gut war. Er musste den Bogen zur Jagd benutzt haben.
    »Du hast es wirklich geglaubt«, meinte er ungläubig. »Dass wir weitergezogen sind und dich hier mit einem Sterbenden zurückgelassen haben. Du hältst uns für wenig besser als Wilde.«
    »Willst du das denn nicht so?«, fragte ich herausfordernd, sah ihn nun direkt an und entdeckte einen Augenblick lang einen ganz anderen Ausdruck in seinen Augen, bevor er sich abwandte. »Der Bemalte Mann, ein Geschöpf, das Schrecken und Ehrfurcht hervorruft? Ein Mann, der beinahe alles tun kann, wenn man ihn gut genug bezahlt? Ein Mann ohne Gewissen? Wieso sollte ein solcher Mann etwas dagegen haben, eine Frau allein zurückzulassen, besonders, da er Frauen doch so sehr verachtet?«
    Er öffnete den Mund, überlegte es sich noch einmal und schloss ihn wieder.
    »Warum hasst du uns so sehr? Welche Frau hat dich so enttäuscht, dass du es an uns allen auslassen musst und für den Rest deines Lebens? Du bist so ablehnend. Es frisst dich von innen her auf. Du wärst ein Narr, dich davon zerstören zu lassen. Es wäre eine schreckliche Verschwendung. Was ist geschehen, das dich so verbittert hat?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Doch«, sagte ich mit fester Stimme. »Du hast dich selbst entschieden hier zu bleiben, und du wirst zuhören. Du hast meine Geschichte von der Bauerntochter Jenny gehört. Vielleicht ist sie wahr, vielleicht nicht. Aber es gibt viele gute, starke Frauen wie Jenny auf der Welt, ebenso wie andere, die weniger bewundernswert sind. Wir sind Menschen, ebenso wie du, und wir sind alle verschieden. Du siehst die Welt durch den Schatten deines eigenen Schmerzes, und du triffst ein ungerechtes Urteil.«
    »Nein.« Er starrte ins Leere. Ich bedauerte schon, so mutig gewesen zu sein. »Es waren die Tricks einer Frau und ihre Macht über einen Mann, die mir sowohl meine Familie als mein Geburtsrecht genommen haben. Es war die Selbstsucht einer Frau und die Schwäche eines Mannes für sie, die mich auf diesen Weg geführt haben, die mich zu dem Geschöpf gemacht haben, das du so verachtest. Frauen verderben alles. Ein Mann sollte sie nicht zu nahe an sich herankommen und sich nicht von ihnen einfangen lassen.«
    »Aber ich bin auch eine Frau«, sagte ich nach einer Weile. »Ich locke niemanden in eine Falle, ich verführe nicht, ich bin nicht böse. Ich sage, was ich denke, aber daran ist nichts Falsches. Ich lasse mich einfach nicht so beschreiben, wie du es getan hast. Mein Vorbild ist meine Mutter. Sie ist klein und zierlich, aber stark. Sie kennt nichts anderes als zu geben. Meine Schwester ist schön und vollkommen ohne Argwohn.«
    »Du weinst.«
    »Ich weine nicht!« Zornig rieb ich mit der Hand über die Wange. »Ich sage nur, du kannst nicht viele Frauen kennen, um eine solch engstirnige Vorstellung zu haben.«
    »Ich gebe zu, dass du eine Ausnahme sein könntest«, meinte er mürrisch. »Du lässt dich nicht so leicht einordnen.«
    »Du glaubst, ich wäre eher wie ein Mann?«
    »Ha!« Ich wusste nicht, ob dieses Geräusch auf Belustigung oder Verachtung zurückzuführen war. »Wohl kaum. Aber du hast einige Tugenden, die ich nicht erwartet hätte. Schade, dass du keinen Stock einsetzen und keinen Bogen spannen kannst. Wir hätten dich vielleicht für die Truppe angeworben.«
    Nun war ich dran zu lachen. »Das glaube ich nicht. Aber ich kann es tatsächlich. Mit einem Stock umgehen und einen Bogen spannen, meine ich.«
    Er sah mich an. »Das glaube ich dir nicht.«
    »Ich zeige es dir.«
    Iubdan hatte mir viel beigebracht. Dieser Bogen war länger und schwerer als der, an den ich gewöhnt war, und ich konnte ihn nicht vollständig spannen. Aber es würde genügen. Bran beobachtete mich schweigend, die Brauen spöttisch hochgezogen, als ich die Sehne spannte.
    »Was soll ich mit diesem Pfeil treffen?«
    »Du könntest es mit diesem großen Astloch in dem Ulmenstamm dort versuchen.«
    »Das könnte ein Kind tun«, meinte ich verächtlich. »Du beleidigst mich. Welches Ziel würdest du für einen jungen Mann wählen, der sich deiner Bande anschließen will?«
    »Er wäre nicht so weit gekommen, ohne sich zu beweisen. Aber wenn du darauf bestehst, dann schlage ich den Apfelbaum vor, der dort zwischen den

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