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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Felsen wächst. Lass es mich dir zeigen.«
    Er nahm mir den Bogen ab, spannte ihn ganz, die Augen gegen das Licht ein wenig zugekniffen. Es passierte schnell. Die Bogensehne schnappte, als er sie losließ, und ich sah einen kleinen grünen Apfel zu Boden fallen, durchtrennt von der Pfeilspitze.
    »Jetzt bist du dran«, sagte er trocken.
    Das war ein Spiel, das Sean und ich wieder und wieder geübt hatten. Ich zog den Bogen, so weit ich konnte, hauchte ein leises Wort und ließ den Pfeil los.
    »Anfängerglück«, sagte Bran, als ein weiterer Apfel fiel. »Du könntest es nicht wiederholen.«
    »Doch«, sagte ich, »aber es ist mir gleich, ob du mir glaubst oder nicht. Wir haben zu tun. Wenn ich dir sage, was ich brauche, könntest du ein paar Kräuter für mich finden? Mein Vorrat geht zu Ende, und Evan hat große Schmerzen.«
    »Sag mir, was du brauchst.«
    Es war gut, dass ich in dieser Nacht so tief geschlafen hatte, denn in den folgenden Tagen kam ich selten dazu. Der Schmied wurde kranker und kranker, sein Gesicht rötete sich hektisch, die Haut um seine Wunde war nun fleckig und bläulich. Bran hatte gebracht, worum ich ihn gebeten hatte, und ich hatte einen Tee zubereitet, den ich Evan Tropfen um Tropfen einflößte, bis er ruhiger wurde.
    »Wo bist du, Biddy?«, flüsterte er und bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen. »Biddy? Frau? Ich kann dich nicht sehen.«
    »Still«, sagte ich und wischte ihm das glühende Gesicht ab. »Ich bin hier. Schlaf jetzt.«
    Aber es dauerte lange, bis er schlief, und trotz der Kräuter ruhte er nicht lange, bis die Schmerzen ihn wieder weckten. Bran war draußen, und ich rief ihn nicht herein. Wozu sollte das gut sein? Er hätte nichts tun können. Ich saß an Evans Seite im Lichtkreis der Laterne und hielt seine Hand. Ich sagte ihm, er solle nicht sprechen, aber er war nicht aufzuhalten.
    »Immer noch da. Ich dachte, du wärst inzwischen weg.«
    »Ja, ich bin immer noch da, wie du siehst. So schnell wirst du mich nicht los.«
    »Ich dachte eine Weile, du wärst Biddy. Albern. Es brauchte drei von deiner Art, so ein schönes, großes Mädchen ist meine Biddy.«
    »Sie wird auf dich warten, daran solltest du nicht zweifeln«, sagte ich.
    »Glaubst du, sie will mich immer noch? Glaubst du, sie würde sich nicht an … du weißt schon stören?«
    Ich drückte seine Hand ein wenig. »Ein starker Bursche wie du? Selbstverständlich wird sie dich noch haben wollen. Sie werden Schlange stehen um dich, Mann.«
    »Ich will mich ja nicht beschweren, denn ich weiß, du tust dein Bestes. Aber es tut so weh …«
    »Versuch mal, ob du noch ein paar Tropfen davon schlucken kannst.«
    »Brauchst du Hilfe?« Bran war leise hereingekommen, mit einer kleinen Flasche in der Hand. »Möwe hat mir das hier gelassen. Es stammt aus seinem eigenen Land und ist sehr kräftig. Nur für besondere Gelegenheiten.«
    »Ich bezweifle, dass er es bei sich behalten würde. Vielleicht ein paar Tropfen. Tu ein wenig davon in diesen Tee; du hast Recht, es wird Zeit für solche Dinge. Kannst du seinen Kopf und die Schultern heben? Danke.«
    Die kleine Taschenflasche war aus Silber, und auf der Oberfläche befand sich ein kunstvolles Spiralmuster. Der Verschluss war aus Bernsteinglas und hatte die Form einer kleinen Katze.
    »Nicht zu viel davon. Wir wollen, dass es lange genug in seinem Magen bleibt.«
    Schluck um Schluck flößte ich Evan den Alkohol ein, während Bran hinter ihm saß und ihn stützte.
    »Das hätte ich mir gleich denken können, Hauptmann«, meinte der Schmied schwächlich. »Du wartest, bis ich erledigt bin, dann versuchst du mich zu vergiften. Das solltest du lieber dem Mädchen hier überlassen.«
    »Ich bin doch sowieso nur da, um zu tun, was sie sagt.«
    »Ich glaube dir kein Wort, Hauptmann …«
    »Still«, sagte ich, »du redest zu viel. Trink und halt den Mund.«
    »Hast du das gehört?«, fragte Bran. »Sie gibt gern Befehle. Kein Wunder, dass die anderen sich schnell davongemacht haben.«
    Evan schloss die Augen. »Ich habe dir doch gesagt, dass sie zu dir passt, Hauptmann«, sagte er leise. Bran enthielt sich jeden Kommentars.
    »Schlaf«, sagte ich und stellte den Becher mit Kräutertee hin. Er war halb leer. Er hatte mehr getrunken, als ich erwartet hätte. »Ruh dich aus. Denk an deine Biddy. Vielleicht kann sie dich hören, obwohl sie auf der anderen Seite des Meeres ist. Manchmal passiert so etwas. Sag ihr, dass du bald zu ihr kommst. Sie wird nicht mehr lange warten

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