Der Sohn der Schatten
schwer‹, meinte Jenny. ›Das kann ich wohl tun.‹ Die Alte gackerte. ›Pass nur auf!‹, krächzte sie. ›Du bist wirklich gut! Es wird das Schwierigste sein, das du je getan hast, Hühnchen. Du musst ihn wirklich sehr gern haben, um dich festzuhalten. Sei auf ein paar Überraschungen gefasst. Kannst du es wirklich?‹ Und Jenny erklärte leidenschaftlich: ›Er gehört mir. Selbstverständlich kann ich das.‹« Schlange streckte den Arm aus und füllte meinen Becher nach. Die gespaltene Zunge, die auf seine Nase gezeichnet war, schien im Lampenlicht zu flackern, als wollte sie zustoßen. »Nun, sie tat genau, was man ihr gesagt hatte. Bei Vollmond um Mitternacht wartete sie allein in ihrem Kleid aus selbst gesponnener Wolle, in festen Stiefeln und einem dunklen Kapuzenumhang, der ihr helles Haar verbarg, an der Kreuzung. Sie stand wie ein Schatten im Mondlicht und wartete. Um den Hals trug sie den roten Schal, der einmal Tom gehört hatte. Und dann kamen sie; eine lange, glitzernde Truppe von Reitern, die Pferde alle weiß, die Gewänder und Hemden mit Perlen und Edelsteinen bestickt, das Haar lang über die Schultern frisiert und ebenfalls mit glitzernden Steinen und seltsamen Blättern geschmückt. Die Feenkönigin ritt in der Mitte, hoch gewachsen und königlich, ihr Gesicht bleich wie Milch, ihr Haar von einem wunderschönen, schimmernden Rotbraun, ihr Kleid tief ausgeschnitten, um die eleganten Rundungen ihrer Gestalt zu zeigen. Hinter ihr saß Tom, der Schmied, der Blick seiner grauen Augen ging ins Leere, sein einstmals freundliches Gesicht war nur noch eine ausdruckslose Maske. Er trug ein silbernes Hemd und silberne Hosen und Stiefel aus weichstem Ziegenleder. Jenny war wütend, aber sie blieb still stehen, bis die Königin die Mitte der Kreuzung erreicht hatte, bis ihr Tom direkt vor ihr und in Reichweite war. Dann stürzte sie vorwärts und ergriff seine Hand, und sie zog so fest, wie sie konnte, und er fiel vom Pferd und lag vor ihren Füßen auf dem Weg.
Das Feenvolk zischte empört, und sofort hatten sie Jenny und den armen Tom umkreist, und sie konnten nicht entkommen. Die Stimme der Feenkönigin war schrecklich, sowohl süß als auch tödlich in ihrem Zorn. ›Du!‹, fauchte sie. ›Was hast du vor? Wer hat dir das gesagt? Dieser Mann gehört mir! Nimm deine dreckigen sterblichen Hände von ihm weg! Keine Frau wagt es, mich herauszufordern!‹ Aber Jenny hielt fest, während Tom zu ihren Füßen saß wie betäubt, und sie starrte das wunderschöne Geschöpf auf dem weißen Pferd trotzig an. Dann gab die Fee ein schreckliches Lachen von sich und sagte: ›Dann wollen wir zumindest ein bisschen Spaß haben. Sehen wir mal, wie lange du festhalten kannst, Bauernmädchen! Hältst du dich für stark? Wie wenig ihr Sterblichen doch begreift.‹
Zunächst hatte Jenny kaum verstanden, was sie meinte, denn Toms Hand war schlaff in ihrer. Dann veränderten sich seine Finger plötzlich zu rasiermesserscharfen Krallen, und seine Haut wurde zu zerzaustem Haar, und statt einem Mann hielt sie ein Bein eines großen Wolfs, der nun die Zähne fletschte. Jenny wich erschrocken zurück, als der stinkende Atem des Tieres sie traf und es sich gegen den Griff ihrer Hände wehrte. Aber sie grub ihre Finger tief in das zottige Haar des Wolfs und hielt fest, während das Geschöpf sie über den Weg zerrte. Sie spürte, wie der weiße Kies an ihrem Gewand und ihrer Haut riss. Dann hörte sie ein Murmeln aus dem Kreis der Zuschauer; ein einzelnes Wort wurde in einer seltsamen Sprache gesprochen. Dann verwandelte sich das zerzauste Wolfsfell in eine glatte, schlüpfrige Oberfläche, die beinahe bewirkte, dass sie losgelassen hätte; es war so schwierig festzuhalten. Etwas wand sich und wurde dicker, und nun hielt sie statt einem großen Wolf eine gewaltige Schlange mit edelsteinschimmernden Schuppen in den Händen, ein Ungeheuer, das sich wand und versuchte, sie selbst mit seinem riesigen Körper zu umschlingen. Um festzuhalten, musste Jenny dieses Geschöpf mit ihren Armen umklammern und ihre Hände verschränken und das Gesicht gegen die kalten Schuppen drücken. Sie brauchte ihre gesamte Willenskraft, um nicht vor Schreck ohnmächtig zu werden, als der kleine bösartige Kopf auf sie zuschoss, wieder und wieder, und die Zunge dicht vor ihren Augen zuckte. ›Das ist Tom‹, sagte sie sich, und ihr Herz schlug wie eine Trommel. ›Das ist mein Liebster. Ich werde festhalten. Er gehört mir.‹
Ein weiteres Wort
Weitere Kostenlose Bücher