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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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wenn der Blick mich berührte. Es war wirklich an der Zeit, nach Hause zurückzukehren.
    »Er heißt Eamonn«, sagte er leise. »Eamonn von den Marschen nennen sie ihn. Sein Vater hatte einen schlechten Ruf, und der Sohn hat nichts getan, um einen besseren zu erlangen. Meine Männer haben dich in Littlefolds aufgelesen, nicht wahr? Direkt an der Grenze zum Land von diesem Eamonn? Was ist er für dich? Vetter? Bruder? Liebster?«
    »Nichts davon«, stotterte ich mit laut klopfendem Herzen. Ich durfte ihm nicht sagen, wer ich war. Ich durfte meine Familie nicht verwundbar machen. »Ich kenne ihn nur von weitem. Ich habe die Geschichte gehört. Das ist alles.«
    »Wo?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Du solltest dich lieber nicht mit diesem Mann einlassen. Solche wie er sind sehr gefährlich. Man kommt einem solchen Mann nicht in den Weg und zieht dann unbeschadet davon.«
    »Du sprichst doch sicher von dir selbst und nicht von Eamonn.«
    »Du bist schnell bereit, ihn zu verteidigen. Ist er derjenige, der so unruhig auf deine Wiederkehr wartete, wie es mir meine Männer rührenderweise erzählten?«
    »Deine Männer haben zu viel Fantasie, weil sie zu wenig Unterhaltung haben. Es wartet niemand zu Hause auf mich. Nur meine Verwandten. So ist es mir lieber.«
    »Das klingt nicht sonderlich glaubwürdig.«
    »Es ist aber die Wahrheit.«
    Wir saßen eine Weile still. Er füllte meinen Becher nach und seinen eigenen. Ich fing an, müde zu werden.
    »Es war nicht zufällig.« Bran sprach in die Leere zwischen uns. »Das Töten. Es ging nicht um Unschuldige. Wir sind Männer. Wir leisten Männerarbeit. Du kannst diesen Eamonn ja vielleicht einmal fragen, wie viele er getötet hat. Wir wurden von einem alten, mächtigen Feind Eamonns gut dafür bezahlt, zu tun, was wir getan haben. Eamonns Vater hat vielen unrecht getan. Der Sohn zahlt den Preis. Ich habe noch ein wenig hinzugefügt. Ich hörte, er war nicht beeindruckt.«
    »Für mich klang es nach gedankenlosem Gemetzel. Und darauf folgte die arrogante Geste eines Mannes, der sich für unverwundbar hält.«
    Dies stieß auf frostiges Schweigen. Ich bedauerte meine Worte schon, so wahr sie sein mochten. Als er wieder sprach, hatte sich sein Ton verändert. Nun klang er angespannt, beinahe verlegen: »Ich hoffe, du wirst auf mich hören. Du solltest diesem Eamonn nicht trauen. Nimm ihn zum Mann, zum Geliebten, und er wird dich aussaugen. Wirf dich nicht an ihn weg. Ich kenne seine Art. Ein solcher Mann wird dir die schönen Worte sagen, die du hören willst; er wird dich so lange einlullen, bis du ihm glaubst. Ein solcher Mann weiß nur, wie man nimmt.«
    Ich starrte ihn verblüfft an. »Das glaube ich einfach nicht! Ausgerechnet du gibst mir gute Ratschläge? Habe ich außerdem je gesagt, dass ich schöne Worte will?«
    »Alle Frauen lieben Schmeicheleien«, meinte er geringschätzig.
    »Das ist nicht wahr. Alles, was ich je wollte, war Ehrlichkeit. Zärtliche Worte, Worte der Liebe, solch süße Worte sind bedeutungslos, wenn sie nur gesprochen werden, um ein Ziel zu erreichen. Ich würde es wissen, wenn ein Mann mich bei so etwas anlügt.«
    »Ich nehme an, du hast große Erfahrung in diesen Dingen.« Ich hätte nicht sagen können, ob er es ernst meinte oder nicht, nur dass ich ihn für ausgesprochen humorlos hielt.
    »Ich würde es wissen. Tief im Herzen würde ich es wissen.«
    ***
    Es kam ein Tag, an dem Evan überhaupt nichts mehr bei sich behalten konnte. Sein Hals war grausam geschwollen, das Fieber einer hohlwangigen Lethargie gewichen, die vom Ende kündete. Ohne meine Kräutertränke muss sein Schmerz schrecklich gewesen sein, aber er hatte einen Fuß bereits auf den letzten Weg gesetzt, und da er ein starker Mann war, litt er, ohne zu klagen. Es gab keinen leichten Schlaf, der von kundigen Helfern tiefer gemacht wurde und aus dem er dann friedlich in die andere Welt überging. Nicht für ihn. Er wusste, dass die Zeit gekommen war, und sah ihr mit offenen Augen entgegen.
    Der Tag zog sich träge in den Nachmittag, und es schien mir, als wäre die kühle, trockene Luft in der Kammer unter der Erde voll leisen Flüsterns und Raschelns, als winkten uralte Kräfte dem Schmied zu, sich auf die letzte Reise zu begeben.
    »Sag es mir ganz offen«, forderte Evan. »Es ist das Ende, nicht wahr?«
    Ich saß bei ihm auf dem Boden und hielt seine Hand. »Die Göttin ruft dich. Es ist vielleicht Zeit für dich, weiterzuziehen. Du trägst es tapfer.«
    »Du warst brav. Ein

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