Der Sohn des Apothekers (German Edition)
wie sich das Gefühl der
Ohnmacht in seinem Inneren ausbreitete, das er vor mehr als einem Jahr schon
einmal empfunden und das ihn für eine lange Zeit außer Gefecht gesetzt hatte.
Ein Mord aufzuklären, war für sich genommen bereits eine schwierige und
komplizierte Sache, aber bei einem Fall, der über drei Jahre zurücklag,
erschien es trotz immer weiter voranschreitender Technik schier unmöglich. Vor
allem, wenn man sich auf die geleistete Vorarbeit nicht verlassen konnte.
Zeugen, die sich an nichts mehr erinnerten oder bereits verstorben waren,
Alibi-Überprüfungen, die daran scheiterten, dass die Örtlichkeiten längst nicht
mehr existierten oder inzwischen von anderen Inhabern geführt wurden … Dazu ein
Dorf, dessen Bewohner trotz eines entsetzlichen Verbrechens schwiegen und sich
nur wenig kooperativ verhielten … Trevisan war der Verzweiflung nahe.
Nach einer Tasse Kaffee und einem hastig verschlungenen
Butterhörnchen fuhr er ins Büro, wo er gegen acht eintraf. Lisa und Hanna
warteten bereits auf ihn.
»Du siehst bescheiden aus«, begrüßte ihn Hanna. »Du hast ganz
kleine Augen, vielleicht solltest du dich erst einmal richtig ausschlafen.«
Trevisan erzählte von seiner unruhigen Nacht und von den Gedanken,
die ihm durch den Kopf geschossen waren, und Lisa bestätigte Trevisans
Eindruck.
Sie gestand, dass auch ihr der Fall und das Geständnis des
Mardorfer Polizisten keine Ruhe gelassen hatten. »Als du zum ersten Mal mit
dieser Selbstsicherheit dieses Büro betreten hast, dachte ich, diesen Mann kann
nichts erschüttern und kein Rätsel ist ihm zu schwer. Ich hatte das Gefühl,
dass man weiterkommt, wenn man nur zielstrebig, gewissenhaft und intelligent an
so eine Ermittlung herangeht. Aber inzwischen hat sich so vieles ereignet, dass
ich nicht mehr davon überzeugt bin, dass wir den Fall aufklären können. Es ist
einfach alles so kompliziert geworden.«
»Ach was«, mischte sich Hanna ein. »Ich weiß gar nicht, warum
ihr jetzt Trübsal blast.« Sie trat an die Landkarte an der Pinnwand. »Zwei
Mädchen verschwanden auf einer Radtour spurlos, es ist sehr wahrscheinlich,
dass sie ermordet wurden. Und zwar ziemlich genau hier.« Sie zeigte auf
Tennweide. »Plötzlich taucht drei Jahre später eines der Mädchen wieder auf.
Alle gingen von einer Entführung aus und von faselten von einer dänischen
Rockerbande. Wir haben herausgefunden, dass es nicht so war, wir haben den
Halter des dänischen VW-Busses ermittelt. Durch unsere Arbeit wissen wir, dass
eines der verschwundenen Mädchen eine Zwillingsschwester hatte. Wir haben sogar
maßgeblich mitgeholfen, das Verbrechen in Flensburg aufzuklären und die
Kollegen bei der Verhaftung des Täters unterstützt. Und während viele noch
annahmen, dass die Mörder auf der Durchreise waren und nur zufällig nach
Tennweide kamen, konnte durch unsere Arbeit geklärt werden, dass es wohl nicht
so ist und der Rucksack auch nicht von den Tätern auf dem Autobahnrastplatz
beinahe vierzig Kilometer vom Tatort entfernt abgelegt wurde. Das ist eine
ganze Menge.«
Sie blickte Trevisan tief in
die müden Augen. »Wir geben nicht auf! Wir wissen nun ziemlich sicher, dass
dieser kleine Ort eine maßgebliche Rolle in den Ermittlungen spielt. Außerdem
ist es uns gelungen, mit dem jungen Apothekersohn zu sprechen und diesen Hauch
des Verdachts, der noch immer an ihm klebte, zu zerstreuen. Wir haben noch
immer die DNA-Analyse laufen, wir haben möglicherweise einen Tankwart, der
einen Hinweis auf einen dunklen Wagen gab, und wir haben außerdem noch Sarah
Meierling, die uns weiterbringen könnte – nicht zu vergessen das, was Margot
uns noch alles mitteilen wird. Wir haben also noch ein paar Eisen im Feuer und
sind noch lange nicht am Ende. Ich für meinen Teil meine, dass wir schon sehr
weit gekommen sind.«
»Aber wir haben noch immer keinen Täter«, antwortete Lisa.
Trevisan blickte nachdenklich auf die Karte an der Pinnwand,
dann warf er Hanna einen Blick zu und lächelte. Schließlich erhob er sich und
ein Ruck ging durch seinen Körper. »Du hast recht, du hast verdammt recht, also
machen wir weiter. Der Tankwart hat heute Dienst?«
Hanna nickte.
»Also los, worauf warten wir noch …«
Das Telefon klingelte. Lisa war nahm den Hörer ab und meldete
sich. Das Gespräch dauerte kaum eine Minute.
»Der Journalist ist vernehmungsfähig«, berichtete sie. »Sobeck
war am Apparat.«
»Und den Journalisten«, murmelte Trevisan. »Den hast du
vergessen,
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