Der Sohn des Apothekers (German Edition)
alt war. Es war ein
Schlag für ihn und auch für mich, das können Sie mir glauben. Ich war für ihn
Vater und Mutter zugleich und ich bemühte mich. Ich wollte, dass er nichts
vermisst, dass er glücklich ist. Ich habe alles für ihn getan. Ich habe gearbeitet
und mich um ihn gekümmert, manchmal bis zur Erschöpfung. Sie wissen, wie das
ist. Kinder … Man tut alles für sie, man will, dass sie groß werden, dass ihnen
nichts fehlt und dass gute Menschen aus ihnen werden. Ehrlich, Trevisan, Sie
können es mir glauben.«
Trevisan richtete sich auf. »Der Junge ist Ihnen entglitten?«
»Es schien, als ob … Ich dachte … Ich dachte wirklich, wir
wären auf einem guten Weg, aber dann kommt diese verfluchte Pubertät und die
Kinder entfernen sich von ihren Eltern, sie tun immer das Gegenteil von dem,
was gut für sie ist«, seufzte Klein. »Es war eine schlimme Zeit. Wir haben viel
gestritten und er … Kevin … er war … Er hatte … Er hörte überhaupt nicht mehr.
Mit seinen Freunden trieb er sich draußen herum, statt zu Hause zu lernen und
sich etwas aufzubauen. Alkohol, viel Alkohol und sogar Drogen. Ich fand … in
seiner Tasche … Er hatte Cannabis … Sie verstehen. Ich habe ihn zur Rede
gestellt, es war ein furchtbarer Streit. Tagelang ist er nicht mehr nach Hause
gekommen und hat sich irgendwo herumgetrieben. Und dann … es war der Tag, als
die Mädchen verschwanden. Ich suchte nach ihm, er … er war abgehauen, einfach davongelaufen.
Es war am Vormittag, als ich ihn fand, da draußen, nicht weit vom Campingplatz
entfernt. Er hat dort gezeltet. Er war alleine. Ich habe ihn zur Rede gestellt.
Aber er hat … Er ließ nichts an sich heran, er wurde … er wurde … Er hob die
Hand gegen mich … Trevisan … die Hand, gegen den eigenen Vater. Ich habe ihm
eine Ohrfeige verpasst … Er … er ist … Er lief weg, in den Wald … Er hatte
getrunken und wahrscheinlich sogar etwas geraucht. Er ist weggelaufen und hat
mir gedroht … Er rief, dass ich schon sehen würde, was ich davon hätte,
ich … Er würde nie mehr … nie mehr nach Hause kommen.«
Trevisan hörte aufmerksam zu. »Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich bin ihm nachgelaufen, bis ich nicht mehr konnte, bis ich
zusammensank. Und er lief immer weiter in den Wald.«
»Das war am Mittwoch, dem Tag, als die Mädchen verschwanden?«
Klein nickte. »Ja, es war dieser verfluchte Tag. Ich ging
zurück zum Wagen. Ich hatte Spätdienst bis zehn Uhr. Kevin blieb verschwunden.
Und dann kam diese Fahndungsmeldung nach den beiden Vermissten gegen Abend bei
uns auf den Tisch. Tjaden hatte die Räder im Wald gefunden und auf dem
Kommissariat in Neustadt angerufen und die haben mich informiert. Ich solle mir
das ansehen. Zwei Mädchen, die mit Rädern unterwegs gewesen wären, wären nicht
bei ihrer Pension angekommen und die Eltern hätten Vermisstenanzeige erstattet.
Ich sollte überprüfen, ob es sich bei den beiden Rädern, die Tjaden fand, um
die Räder der Mädchen handelt. Ich sage Ihnen, mir wurde heiß und kalt
zugleich. Ich wusste sofort, dass etwas passiert war. Ich fuhr zu Tjaden, der
mir beschrieb, wo ich die Räder finden würde. Aber zuerst fuhr ich an die
Grillstelle im Wald, die lag nur einen knappen halben Kilometer von der Stelle
entfernt, wo Tjaden die Räder fand. Als ich dort ankam, rauchte es noch in der
Feuerstelle. Weit und breit war niemand zu sehen. Aber es lagen Bierflaschen
herum, ein leerer Kasten stand vor dem Feuer. Ein Rucksack ebenfalls. Ich
wusste nicht … Ich hatte das Gefühl, dass ich keine Luft mehr bekam. Ich wusste
sofort, dass die Mädchen … und ich dachte … Kevin. Er war nicht dort, niemand
war mehr dort. Der Rucksack gehörte Melanie Reubold. Ein Namensschild befand
sich an der Seite. Ich weiß nicht, was über mich kam, aber ich habe alles
eingeladen und das Feuer gelöscht, erst danach bin ich zu den Rädern gefahren.
Es waren die Räder der Mädchen. Ich verständigte die Dienststelle. Trevisan,
Sie müssen mir glauben, ich wusste nicht, was ich tun sollte, schließlich ist
Kevin mein Sohn, er ist alles, was mir geblieben ist … Ich wollte … Ich musste
ihn doch schützen. Blut ist dicker als Wasser und ich wollte nicht, dass Kevin
ins Gefängnis muss, als Mörder. Verstehen Sie das?«
»Was haben Sie mit dem Rucksack, dem Bierkasten und den
Flaschen getan?«
»Ich überlegte… Ich wusste nicht … Es kamen die Kollegen und
eine Suchstaffel, wir suchten die ganze Nacht. Erst gegen vier in der Früh
Weitere Kostenlose Bücher