Der Sohn des Apothekers (German Edition)
gab Nina Bartel zu
bedenken.
Monika Keppler fuhr sich nervös durch die Haare.
»Verdammt, wir müssen etwas unternehmen, wir können doch nicht
untätig hier herumsitzen«, klagte Sina mit Tränen in den Augen.
»Ich weiß nicht … Wir sollten bis morgen warten«, entgegnete
Henry Blatter, der Fotograf. »Vielleicht ist er einer Sache auf der Spur und
hat einfach nur keinen Handy-Empfang. Wenn wir die Pferde unnötig scheu machen
…«
Sina schoss in die Höhe, so dass der Stuhl hinter ihr umkippte.
Provokativ warf sie ihr Handy auf den Tisch. »Ihr könnt euch selbst überzeugen,
ich habe über zweihundertmal versucht, ihn zu erreichen. Da ist etwas passiert
und wenn ihr die Polizei nicht verständigt, dann werde ich es tun.«
»Machst du dir Sorgen um einen Kollegen oder um einen Lover?«,
fragte Monika Keppler ruhig.
Sina schaute sie ungläubig an.
»Du glaubst wohl, wir wissen nicht, dass ihr beide ein
Verhältnis habt«, sagte die Chefredakteurin. »Sobald die Reportage im Kasten
ist, hätte ich sowieso mit euch gesprochen. Es gibt klare Richtlinien und ein
Verhältnis in der gleichen Abteilung, das geht nicht, da kommt die Arbeit zu
kurz.«
»Justin wollte gestern Abend einen Informanten treffen«,
erwiderte Sina. »Und jetzt ist er verschwunden. Da stimmt etwas nicht. Und das
Bett in dieser Absteige ist unberührt. Glaubst du allen Ernstes, dass er
einfach so verschwindet?«
Nina Bartel nickte. »Ich glaube Sina hat recht, außerdem: Was
riskieren wir, wenn es sich als Fehlalarm herausstellt?!«
»Ich werde Toni informieren, er soll entscheiden«, antwortete
Monika nach kurzer Überlegung. »Schließlich ist er der Boss.«
*
Hanna streckte und dehnte
sich, nachdem sie den Dienstwagen in der Tiefgarage des LKA geparkt hatte und
ausgestiegen war. Lisa hatte beinahe die gesamte Fahrt über geschlafen und
brauchte eine Weile, bis sie zu sich kam. Sie hatten versucht, Trevisan zu
erreichen und ihm die Neuigkeiten zu übermitteln, doch weder Hannas noch Lisas
Handy hatte in Dänemark ein Netz gehabt, da sie vergessen hatten, eine
Auslandsfreischaltung zu beantragen. Später, in der Nähe der Grenze, hatte sie
es noch einmal probiert, doch Trevisan hatte sich nicht gemeldet.
Wahrscheinlich schlief er bereits, dachte Hanna.
Zumindest konnte nach ihrer Fahrt nach Dänemark eine
Beteiligung des dänischen VW-Busses an dem Verbrechen ausgeschlossen werden.
Was gab es noch, das für eine Entführung der Mädchen durch eine dänische
Rockerbande sprach? Nicht viel mehr als der Umstand, dass die verschollene
Tanja in der Nähe von Flensburg aufgetaucht war. Blieben noch die Räder und der
Rucksack sowie die Kette eines der Mädchen, als einzige verwertbare Spuren
übrig. Der Fall wurde immer mysteriöser.
Lisa streckte sich und schaute auf die Uhr, es war kurz nach
elf, mitten in der Nacht. »Ich bin hundemüde«, stöhnte sie.
»Wir gehen jetzt nach Hause und machen morgen weiter«,
antwortete Hanna entschlossen. »Morgen früh um acht. Dann werden wir Trevisan
schon erreichen. Ich bin gespannt, was er dazu sagen wird.«
Erkenntnisse
16
Sie fuhren zum Polizeirevier in der Fuhrberger Straße. Das
mehrstöckige Gebäude aus rotem Klinker lag an der Straße, die zur Medizinischen
Hochschule führte. Ein Polizeibus parkte auf dem Parkplatz davor, der
Besucherparkplatz war leer. Nur wenige Menschen waren noch unterwegs, als sie
durch die Eingangstür das Revier betraten und in einer Sicherheitsschleuse
landeten. Ein uniformierter Polizist mit den Körpermaßen eines Sumo-Ringers saß
hinter der Panzerglasscheibe und blickte kurz auf. Auf der Bank gegenüber
wartete ein junges Pärchen, eng umschlungen.
Monika Keppler trat an die Glasscheibe und klopfte. Den
Polizisten schien die Anwesenheit von Besuchern im Vorraum nicht sonderlich zu
interessieren. Er zeigte nur kurz mit dem Kugelschreiber auf die Bank und
schrieb weiter in ein dickes Buch. Monika klopfte erneut.
»Warten Sie bitte, bis Sie dran sind!«, sagte der Polizist, ohne
aufzuschauen. Der Lautsprecher in der Schleuse verlieh seiner Stimme ein
metallisches Timbre. Monika wandte sich um und ging zur Bank, Sina folgte ihr.
Nach beinahe zehn Minuten wurde die Schleusentür geöffnet und
ein dunkelhaariger, drahtiger Polizist streckte seinen Kopf durch den Türspalt.
»Wer ist das mit dem Handtaschendiebstahl?«
Die junge Frau hob die Hand.
Monika Keppler erhob sich und ging auf den Polizisten zu.
»Hören Sie, wir sind hier, um eine
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