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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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und fanden mich nicht abstoßender als einen Weißen.«
    Wahrscheinlich hatte er recht. Ich vermutete, daß einer Frau meines Volkes, die darauf aus war, mit Männern einer anderen Hautfarbe zu schlafen, ein Schwarzer nicht viel absonderlicher erschien als ein Weißer. Doch Esteban sah in der Tatsache, daß diese Frauen nicht wählerisch waren, offenbar etwas anderes. Ihm schien es, als sei er in den unbekannten Ländern den Weißen gleichgestellt gewesen. Ich hätte ihm beinahe gestanden, daß einmal eine Schwarze oder wenigstens eine halbe Schwarze meine Geliebte gewesen war und ich daher wußte, daß sie sich innen nicht von einer roten oder weißen Frau unterschied.
    Statt dessen sagte ich aber nur: »Amigo Esteban, ich habe das Gefühl, du würdest gern wieder in diese fernen Länder zurückkehren.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Selbst in der brutalen Gefangenschaft war ich dort nicht nur der Sklave eines einzelnen Mannes.«
    »Warum gehst du dann nicht einfach zurück? Gleich jetzt. Nimm dir ein Pferd. Ich werde keinen Alarm schlagen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich war acht Jahre lang auf der Flucht. Ich möchte nicht, daß mich die Sklavenfänger für den Rest meines Lebens jagen. Das wäre aber dann der Fall. Sie würden mir auf den Fersen bleiben und mich selbst bis in dieses wilde Land hinein verfolgen.«
    »Vielleicht ….«, sagte ich nachdenklich und blies genußvoll den Rauch in die kühle Luft, »vielleicht können wir uns einen Grund ausdenken, damit du rechtmäßig und mit dem Segen des weißen Mannes dorthin gehen kannst.«
    »Wirklich? Welchen denn?«
    »Ich habe die Fragen von Bruder Marcos gehört …« Esteban lachte, und auch diesmal klang es nicht belustigt. »Ach, el Galicoso.«
    »Wie?« sagte ich. Wenn ich das Wort richtig verstanden hatte, litt der Mönch an einer anstößigen Krankheit. »Das war ein Scherz. Ein Wortspiel. Ich hätte sagen sollen, el Galicano.«
    »Ich verstehe immer noch nicht …«
    »Dann eben el Francés. Er stammt aus Frankreich. Marcos de Niza ist die spanische Form seines richtigen Namens, Marc de Nice. Und Nice ist eine Stadt in Frankreich. Der Mönch ist eine Schlange, wie übrigens alle Franzosen.«
    Ich sagte ungeduldig: »Mir ist es egal, ob er Schuppen hat. Wirst du mir jetzt zuhören, Esteban? Er hat deine weißen Kameraden immer wieder nach den sieben Staaten gefragt. Was meint er damit?«
    »Ay de mí!« Er spuckte angewidert auf die Erde. »Ein altes spanisches Märchen. Ich habe es oft gehört. Die sieben Städte von Antilia. Angeblich sind es Städte aus Gold, Silber, Edelsteinen, Elfenbein und Kristall. Sie sollen in einem Land weit hinter dem Ozean liegen, das kein Mensch jemals gesehen hat. Das Märchen wird seit ewigen Zeiten immer wieder erzählt. Als die Neue Welt entdeckt wurde, hofften die Spanier, die sieben Städte hier zu finden. Selbst bis zu uns auf Kuba drang das Gerücht, ihr Indios in Neuspanien könntet uns verraten, wo sie liegen –, wenn ihr es wolltet. Aber versteh mich nicht falsch, Amigo, ich frage dich nicht danach.«
    »Frag mich, wenn du willst«, erwiderte ich. »Ich kann dir in aller Aufrichtigkeit antworten, daß ich noch nie etwas davon gehört habe. Hast du oder hat einer der anderen auf dem Weg hierher solche Städte gesehen?«
    »Mierda!« brummte er. »In den Ländern, durch die wir gekommen sind, wird jedes Dorf mit ein paar Lehmhütten als Stadt bezeichnet. Das ist die einzige Art Stadt, die wir gesehen haben. Sie stinken, sie sind alle häßlich und erbärmlich, armselig und voller Ungeziefer.«
    »Der Mönch war mit seinen Fragen sehr hartnäckig. Als die drei Helden behaupteten, von solchen wunderbaren Städten nichts zu wissen, schien es mir, als habe Pater Marcos den Verdacht, sie wollten ihm etwas verheimlichen.«
    »Das sieht dieser Schlange ähnlich! In Compostela habe ich gehört, daß ihn alle, die ihn kennen, El Monje Mentiroso nennen. Natürlich verdächtigt der sogenannte Lügende Mönch alle und jeden, ebenfalls zu lügen.«
    »Nun ja … hat einer der Indios, denen du begegnet bist, auch nur andeutungsweise von der Existenz …«
    »Mierda más mierda!« rief er so laut, daß ich ihm wieder bedeuten mußte, leise zu sein, weil ich fürchtete, er werde die anderen wecken. »Wenn du es unbedingt wissen willst, ja. Als wir beim Flußvolk waren …« Die Erinnerung überwältigte ihn, und er seufzte tief. »Wenn sie von einer öden Flußbiegung zur nächsten zogen, haben sie uns als Packesel benutzt.

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