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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ihr her. Ich erreichte sie gerade noch rechtzeitig, um zu verhindern, daß sie eine der Arkebusen aus dem Gepäck hervorzog. »Nein, Pakápetil Das ist nicht nötig!«
    »Du lebst?« fragte sie zitternd. »Ich dachte, das schwarze Ungeheuer wollte dich umbringen …«
    »Nein, nein, er wollte mich nicht umbringen. Du bist lieb und fürsorglich, aber du reagierst übereilt. Bitte überlaß es mir, mich zu retten. Ich werde dir später erzählen, warum er mich in seinem Überschwang beinahe erdrückt hätte.«
    Inzwischen hatten wir die Aufmerksamkeit der Spanier auf uns gelenkt. Doch ich lächelte beruhigend in alle Richtungen, und als weiter nichts geschah, wandten sie sich wieder den Neuankömmlingen zu. Einer der Männer sagte gerade: »Es gibt noch eine Neuigkeit. Der Papst hat hier ein zweites Bistum eingerichtet, die Diözese Neugalicien. Er überträgt Pater Vasco de Quiroga ein hohes Amt. Ein Kurier ist auf dem Weg zu Pater Vasco, um ihm anzukündigen, daß er die Mitra des Bischofs Quiroga von Neugalicien tragen wird.« Über diese Nachricht freute ich mich ebenso wie über alle anderen, die ich hier gehört hatte. Doch ich hoffte, Pater Vasco werde als hoher Würdenträger seine guten Werke und seine guten Absichten nicht aufgeben und sein gutes Wesen nicht verlieren. Papst Paul würde von dem neuen Bischof zweifellos erwarten, daß er aus den Siedlern von Utopía noch mehr Beiträge zum persönlichen Fünften des Papstes, wie Alonso de Molina es genannt hatte, herauspreßte. Das konnte sich für meinen und Estebans Plan als vorteilhaft erweisen. Bischof Zumárraga würde in Bischof Quiroga möglicherweise einen Rivalen sehen und Bruder Marcos um so bereitwilliger auf die Suche nach neuen Seelen und neuen Reichtümern für Mutter Kirche schicken. Ich zögerte unsere Weiterreise bewußt hinaus, bis sich die vier berittenen Soldaten wieder auf den Weg nach Compostela gemacht hatten. Dann verabschiedete ich mich von Esteban und Teniente Tallabuena. Sie und der ganze Trupp, bis auf die drei weißen Helden und den Lügenden Mönch, winkten mir freundlich nach. Zehenspitze und ich führten unsere beiden Packpferde am Zügel und ritten nach Nordwesten. Erst nach einer Weile änderten wir die Richtung und zogen nach Norden weiter, weil ich hoffte, auf diesem Weg nach Aztlan zu gelangen.
     
     

17
     
    Wenige Tage später erreichten wir die Berge, die ich von der Reise mit meiner Mutter und meinem Onkel kannte. Wir befanden uns erst am Anfang der Regenzeit, doch an dem Tag, als wir die östliche Grenze des von Aztlan beherrschten Gebietes erreichten, brauten der Regengott Tlaloc und seine Tlalóque-Geister zu ihrem dämonischen Vergnügen ein Gewitter zusammen. Sie stießen ihre gezackten Blitze vom Himmel und zerschlugen mit donnerndem Getöse die riesigen Wasserkrüge, aus denen sich der Regen auf die Erde ergoß. Durch den Wasservorhang hindurch erspähte ich am Hang eines Hügels nicht weit voraus den Schein eines Lagerfeuers. Ich hielt unseren kleinen Zug unter ein paar Bäumen an, die uns verbargen, und wartete auf einen Blitz, der mir deutlicher zeigen würde, wer sich dort befand. Das dauerte nicht lange. Im bläulich grellen Zucken sah ich fünf Männer, die unter einem Schutzdach aus Zweigen um das Feuer standen oder saßen. Sie trugen alle die gesteppten Baumwollpanzer der Aztéca-Krieger. Es hatte beinahe den Anschein, als erwarteten sie unsere Ankunft. Falls das stimmte, war es mehr als verwunderlich, denn wie konnte in Aztlan jemand etwas von unserer bevorstehenden Ankunft wissen? »Du bleibst mit den Pferden hier, Zehenspitze«, sagte ich. »Ich will herausfinden, ob es tatsächlich Männer meines Volkes sind. Bereite dich darauf vor, umzukehren und zu fliehen, wenn ich dir durch ein Zeichen zu verstehen gebe, daß sie uns feindlich gesonnen sind.« Ich ging allein durch den strömenden Regen den Hang hinauf. Als ich mich der Gruppe näherte, hob ich beide Hände, um zu zeigen, daß ich keine Waffen trug und rief: »Mixpantzincol«
    »Ximopanólti!« antwortete jemand freundlich und im altmodischen Dialekt von Aztlan, den ich voll Freude hörte.
    Nach wenigen Schritten war ich nahe genug herangekommen, um im Schein erneuter Blitze den Mann zu sehen, der gesprochen hatte. Ich kannte sein Gesicht. Aber es war nicht sehr angenehm, ihm wiederzubegegnen, denn ich erinnerte mich gut daran, was für ein Mensch er war. Ich vermute, meine Stimme verriet meine Gefühle, als ich ihn ohne große Begeisterung

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