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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Meer hinaus. Sie blieben in Sichtweite der Küste, da sie glaubten, wenn sie weit genug in Richtung Westen segelten, müßten sie irgendwann die Küste Neuspaniens erreichen.
    Die Spanier erlebten jedoch, daß Meer und Land gleichermaßen feindselig waren. Kalte winterliche Stürme mit schneidenden Winden brachten immer wieder sintflutartige Regenfälle. Bei ruhigem Wetter regnete es Pfeile der Indianer, die in ihren Kriegskanus durch die Wellen ruderten und die Weißen angriffen. Die spärlichen Vorräte gingen zur Neige. Die ungegerbten Lederbeutel waren bald verrottet. Doch wann immer die Spanier versuchten, an Land zu gehen, um ihre Vorräte aufzufüllen, wurden sie von einem Pfeilhagel daran gehindert. Unvermeidlich trieben die fünf Schiffe auseinander. Von vieren hat man nie wieder etwas gehört oder gesehen. Dem fünften und letzten Schiff, auf dem sich Kuhkopf und seine Kameraden befanden, gelang es schließlich, an der Küste anzulegen. Die inzwischen nur noch spärlich bekleideten, beinahe verhungerten, frierenden und völlig entkräfteten Weißen machten sich auf den Marsch nach Westen. Hin und wieder stießen sie auf einen Stamm, der noch nichts von den Eindringlingen gehört hatte und sich bereit fand, die Fremden aufzunehmen und ihnen Nahrung zu geben. Doch während sich die kleine Schar in der Hoffnung, nach Neuspanien zu gelangen, unerschrocken wenn auch mühsam durch die Wildnis arbeitete, fanden sie immer seltener Zuflucht. Die brutalen Überfälle nahmen zu. Auf ihrem Weg durch Wälder, endlose Savannen und wasserlose Wüsten, über unvorstellbar breite Flüsse und hohe Gebirge wurden sie von Trupps umherstreifender Indianer gefangengenommen und versklavt. Sie mußten hart arbeiten, wurden mißhandelt, geschlagen und bekamen kaum etwas zu essen. »Die verdammten roten Teufel«, hörte ich Kuhkopf sagen, »haben ihrer Brut sogar erlaubt, uns zum Vergnügen ganze Haarbüschel aus den Bärten zu reißen.« Die Spanier mußten sich immer wieder neue Fluchtmöglichkeiten ausdenken und verloren bei jedem Ausbruchsversuch fast unvermeidlich einen oder mehrere Kameraden, die getötet oder wieder gefangengenommen wurden. Was aus diesen Männern geworden war, wußten sie nicht.
    Als sie nach langer Zeit endlich die fernsten Randbezirke von Neuspanien erreichten, hatten nur vier überlebt: drei Weiße – Cabeza de Vaca, Andrés Dorantes und Alonso del Castillo – und Estebanico, der schwarze Sklave von Dorantes. Ich hörte nur, wie Castillo sagte: »Wir haben einen ganzen Kontinent durchquert«, und da ich nicht weiß, was ein ›Kontinent‹ ist, kann ich auch nicht abschätzen, wie viele Leguas die Männer unter großen Strapazen zurückgelegt haben. Ich weiß nur mit Sicherheit, daß sie acht Jahre dazu brauchten. Natürlich wären sie schneller gewesen, wenn sie sich an die Küste des Ostmeeres hätten halten können. Doch sie gerieten an landeinwärts lebende Stämme, und jede Flucht aus der Gefangenschaft führte sie immer weiter ins Landesinnere. So kam es, daß sie sich nahe der Küste des Westmeeres befanden, als sie schließlich spanischen Soldaten begegneten, die sich tollkühn weit in das Gebiet der Tierra de Guerra vorgewagt hatten. Diese Soldaten geleiteten die Fremden, deren Geschichte sie kaum glauben konnten, voll Ehrfurcht und Bewunderung zu einem militärischen Vorposten, wo man ihnen zu essen gab und sie einkleidete. Von dort brachte man sie nach Compostela. Gouverneur Guzmán versah sie mit Pferden, einer großen Eskorte und gab ihnen den Mönch Marcos de Niza als Begleiter mit, der sich um ihr geistiges Wohl kümmern sollte. Dann machten sie sich auf den Weg in die Stadt Mexico. Dort, so hatte Guzmán ihnen versichert, werde man sie so feiern und ehren, wie sie es verdienten. Unterwegs hatten die Helden ihre Geschichte jedem erzählt, der sie hören wollte. Auch ich lauschte ihrem Bericht gespannt und mit echter Bewunderung.
    Ich hätte den drei weißen Männern viele Fragen gestellt, wenn sie mich nicht so nachdrücklich ignoriert hätten. Doch ich hörte, daß Bruder Marcos einige der Fragen stellte, die mich beschäftigten. Der Mönch schien wie ich enttäuscht zu sein, als die Helden erklärten, sie seien nicht in der Lage, ihm die eine oder andere Auskunft zu geben, um die er bat. Deshalb ging ich schließlich hinüber zu dem Schwarzen, der abseits saß.
    Die Endsilbe -ico, welche die Spanier seinem Namen anhängten, ist eine herablassende Verkleinerungsform, wie man sie Kindern

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