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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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die Sonne hätte ihn nicht schwärzer brennen können.
    Ich sollte die Männer nach diesem einen Abend nie mehr wiedersehen. Doch obwohl ich es damals nicht wußte, hing das Tonáli eines jeden von ihnen eng mit meinem zusammen. Unser künftiges Leben, zahllose andere Leben und sogar die Geschicke ganzer Nationen waren untrennbar miteinander verknüpft.
    Deshalb will ich jetzt berichten, was ich über diese Männer erfuhr und wie ich in der kurzen Zeit, bevor wir uns für immer trennten, mit einem von ihnen Freundschaft schloß.
     
     

16
     
    Alle sprachen den Anführer der Helden respektvoll mit seinem Vornamen Don Alvar an. Als wir miteinander bekannt gemacht wurden, lachten die Spanier über den Namen Zehenspitze. Ich fragte mich weshalb, denn der Familienname des Mannes lautete Cabeza de Vaca, und das bedeutet Kuhkopf. Trotz des nicht gerade vielversprechenden Namens hatten er und seine Kameraden eine wahre Heldentat vollbracht.
    Ich mußte mir die Geschichte aus dem, was ich von ihren Unterhaltungen mit den Soldaten, die sie bedienten, mitbekam, und dem, was der Teniente Tallabuena mir erzählte, zusammenreimen. Die drei Helden begrüßten mich zwar höflich, sprachen aber danach nicht mehr mit mir. Als ich ihre Geschichte kannte, konnte ich es ihnen kaum verübeln, daß sie nichts mehr mit Indios und Indianern zu tun haben wollten. Ich weiß, Florida bedeutet auf spanisch blühend, blumig, doch ich habe bis heute keine Vorstellung davon, wo dieses ›blühende‹ Land liegt. Wo immer es sich befinden mag, es muß ein Land unendlichen Schreckens sein. Vor mehr als acht Jahren hatten Kuhkopf, seine Kameraden und mehrere hundert Spanier die Insel Kuba mit Pferden, Waffen und Vorräten verlassen, um in Florida eine neue spanische Kolonie zu gründen. Sobald sie die Segel gesetzt hatten, war die Flotte von gefährlichen Frühlingsstürmen heimgesucht worden. Und als sie Florida nach langen Irrfahrten schließlich und endlich erreicht hatten, fingen die Schwierigkeiten erst richtig an. Wo nicht dichte, beinahe undurchdringliche Wälder das Land bedeckten, stießen sie immer wieder auf reißende Flüsse, deren Überquerung lebensgefährlich war. Bei den Versuchen, sie zu umgehen, gerieten die Männer in heiße, stinkende Sümpfe. Ihre Pferde waren in dieser Wildnis so gut wie nutzlos. Die Abenteurer wurden von den Raubtieren der Wälder angefallen, von Schlangen gebissen, von Insekten gestochen und vom tödlichen Fieber und anderen Krankheiten der Sümpfe gepeinigt. Die eingeborenen Bewohner Floridas zeigten sich keineswegs beglückt über die Ankunft der hellhäutigen Fremden, sondern betrachteten sie als Feinde und töteten einen nach dem anderen mit Pfeilen, die sie aus dem Hinterhalt, versteckt hinter Bäumen und im dichten Gebüsch, abschossen. Im offenen Gelände verwickelten die kriegerischen Stämme die Weißen in blutige Kämpfe. Die erschöpften und vom Fieber geschwächten Spanier vermochten nur schwachen Widerstand zu leisten. Hunger und Entbehrungen entkräfteten sie, denn sobald sie sich einer Siedlung näherten, trieben die Indianer ihre Haustiere davon und brannten ihre mit Mais und anderen eßbaren Pflanzen bestellten Felder ab. Es erschien mir kaum nachvollziehbar, doch es war offenbar so, daß die Spanier, die als Siedler in dieses Land gekommen waren, nicht in der Lage waren, sich von der Vielfalt an Tieren, Vögeln, Fischen und Pflanzen zu ernähren, die die Wildnis wagemutigen und unternehmungslustigen Männern bietet.
    Kurz und gut, die Zahl der Spanier verringerte sich in so erschreckendem Maß, daß der Rest alle Hoffnung aufgab, sich in Florida ansiedeln zu können. So machten sie kehrt und zogen an die Küste zurück. Dort mußten sie jedoch feststellen, daß ihre Schiffe davongesegelt waren. Offenbar hatte die Besatzung geglaubt, sie seien verschollen. Damit saßen die Überlebenden in diesem feindseligen Land in einer tödlichen Falle. Entmutigt, krank, verängstigt und von allen Seiten bedrängt, entschieden sie sich verzweifelt, fünf neue Schiffe zu bauen. Sie banden Äste und Palmblätter mit Seilen zusammen, die aus den Mähnen und Schweifen der Pferde geflochten waren, dichteten die Ritzen mit Kiefernpech und nähten Segel aus ihren Kleidungsstücken. Inzwischen hatten sie die letzten Pferde geschlachtet und gegessen. Aus den Häuten fertigten sie große Beutel für Trinkwasser. Als die Schiffe ablegten, segelten die fünf Kapitäne, zu denen Kuhkopf gehörte, nicht auf das offene

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