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Der Sohn des Azteken

Der Sohn des Azteken

Titel: Der Sohn des Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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gegenüber benutzt. Deshalb achtete ich darauf, ihn in der höflichen Form anzusprechen. »Buenas noches, Esteban.«
    »Buenas …«, murmelte er und sah den spanisch sprechenden Indio mißtrauisch von der Seite an.
    »Darf ich mich ein wenig mit dir unterhalten, amigo?«
    » Amigo?« wiederholte er, scheinbar überrascht, als Gleichgestellter behandelt zu werden. »Sind wir nicht beide Sklaven der Weißen?« fragte ich. »Du sitzt unbeachtet hier, während sich dein vornehmer Herr voll Eitelkeit in der Aufmerksamkeit sonnt, die ihm zuteil wird.« Er schüttelte unwillig den Kopf, und ich wußte, daß ich mit meiner Bemerkung den wunden Punkt getroffen hatte. Ich nutzte die Gelegenheit und sagte: »Ich möchte gerne etwas über deine Abenteuer erfahren. Wir wollen zusammen rauchen, während ich dir zuhöre.«
    Er musterte mich immer noch zurückhaltend, doch entweder hatte ich mit meiner Direktheit ein gutes Einvernehmen zwischen uns hergestellt, oder er brannte darauf, daß ihm endlich jemand zuhörte. »Was möchtest du wissen?« fragte er. »Erzähl mir einfach, was in den vergangenen acht Jahren geschehen ist. Ich habe mir die Erinnerungen von Señor Kuhkopf angehört. Jetzt berichte mir deine.« Das tat er, angefangen bei der Landung in Florida bis hin zu den Enttäuschungen und Katastrophen, die über die flüchtenden Überlebenden auf ihrem Weg von Osten nach Westen hereingebrochen waren und ihre Zahl verringert hatten. Sein Bericht unterschied sich in zweifacher Hinsicht von dem der Weißen. Esteban hatte ohne jeden Zweifel alle Schläge, Härten und Demütigungen erlitten, die den anderen widerfahren waren, aber ›nicht mehr und nicht weniger‹. Das betonte er mit Nachdruck, als wolle er deutlich machen, daß ihn die gemeinsam erduldeten Leiden jetzt seinem Herrn gleichstellten. Der andere Unterschied zwischen seinem Bericht und dem der Weißen bestand darin, daß sich Esteban Mühe gegeben hatte, wenigstens ein paar Brocken der verschiedenen Sprachen der Indianer zu lernen, bei denen sie einige Zeit verbracht hatten. Ich kannte keinen der Namen dieser Völker. Esteban sagte, sie leben weit im Nordosten von Neuspanien. Die beiden letzten Stämme, deren Gebiete also am nächsten lagen und in deren Gefangenschaft die vier Männer geraten waren, nannten sich, wie Esteban sagte, die Akimoél O’otam, das Flußvolk, und die To’ono O’otam, das Wüstenvolk. Von allen ›verdammten roten Teufeln‹, denen sie begegnet waren, so sagte er, seien sie die schlimmsten und teuflischsten gewesen.
    Ich prägte mir die beiden Namen gut ein. Wie auch immer diese Stämme sein mochten und wo auch immer sie lebten, es klang, als seien dort geeignete Rekruten für mein Rebellenheer zu finden.
    Als Esteban seine Erzählung beendete, hatten sich alle anderen bereits in ihre Decken gerollt und schliefen. Ich wollte gerade die Fragen stellen, die ich den Weißen nicht hatte stellen können, als ich hinter mir verstohlene Schritte hörte. Ich drehte mich um, stellte jedoch fest, daß es nur Zehenspitze war, die flüsternd fragte: »Ist alles in Ordnung, Tenamáxtli?«
    Ich erwiderte auf poré: »Selbstverständlich. Leg dich wieder schlafen, Pakápeti.« Damit Esteban es hörte, wiederholte ich meine Worte noch einmal auf spanisch: ›Leg dich wieder schlafen, Mann.‹
    »Ich habe geschlafen. Aber plötzlich bin ich aufgewacht und hatte Angst, das schwarze Ungeheuer könnte dir etwas angetan, dich gefesselt und gefangengenommen haben. Und, ayya! Dieses Ungeheuer ist schwärzer als die Nacht.«
    »Das macht nichts, Liebes. Der Moro ist ein liebenswürdiges und ungefährliches Ungeheuer. Aber danke, daß du dir Sorgen gemacht hast.«
    Sie schlich leise davon. Esteban lachte. Allerdings klang es nicht belustigt, als er wiederholte: »Mann!« Ich zuckte die Schultern. »Selbst ein Sklave kann einen Sklaven haben.«
    »Mich interessiert es einen Dreck, wie viele Sklaven du hast. Es mag ja ein Sklave sein und sogar einer mit so kurzen Haaren wie ich, aber ein Mann ist es nicht.«
    »Leise, Esteban …«, flüsterte ich. »Ja, es ist eine Frau, aber sie hat sich nur verkleidet, um von diesen dreckigen, faulen Blauröcken nicht belästigt zu werden.«
    »Ich hätte nichts dagegen, sie selbst ein wenig zu belästigen«, erwiderte er grinsend, und seine Zähne schimmerten weiß in der Dunkelheit. »Unterwegs habe ich ein paarmal rote Frauen gehabt und großen Geschmack an ihnen gefunden. Du kannst mir glauben, sie waren mit mir zufrieden

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